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Alltags-, Fest-, Tanzhaube – Augsburger Mode am Grabstein der Anna Hofer in der Pfarrkirche Schwaz  (1493)

Wie eine Darstellung aus Schwaz zeigt, war die Damenwelt des Mittelalters auch in Tirol modisch überaus versiert. Die Frauen trugen nicht nur schöne Mäntel und reich verzierte Kleider, sondern auch kunstvoll drapierte Hauben und Schleier.

Bereits das gesamte Mittelalter hindurch war Frankreich in Modefragen tonangebend. Von dort breiteten sich neue Strömungen nach Süddeutschland aus und gelangten über bestehende familiäre Bande oder Handelsbeziehungen auch rasch nach Tirol. Die Schwiegertochter des Gewerken Virgil Hofer, Anna Hofer (auch: Hoffer oder Hofferin), wurde auf ihrem Grabstein unter zarten floralen Ranken auf einem Podest stehend wie eine lebende Person abgebildet. Sie ist in einen weit ausladenden Mantel gekleidet, den sie mit ihrer rechten Hand so zusammenrafft, als würde sie aus dem Relief heraustreten wollen. Unter dem Mantel trägt sie ein gemustertes Unterkleid. Mantel und Kleid sind tief dekolletiert. Anna Hofers Kopfbedeckung besteht aus einer ballonartig geformten Haube und einem um das Kinn geführten Schleier. Diese Tracht war in der Zeit um 1500 vor allem in Augsburg in Mode und erregte dort sogar Kaiser Maximilians (Wiener Neustadt 1459-1519 Wels) Aufmerksamkeit.

Manche der Modeströmungen des späten Mittelalters muten für heutige Verhältnisse ungewöhnlich bzw. sogar exaltiert an. Beispielsweise die Kopfbedeckungen: Während die Frauen zuerst entweder eine Haube, das so genannte „Gebende“ (Vorform des Hutes) oder einen Schleier aufsetzten, wurde es im Verlauf des 15. Jahrhunderts durchaus üblich, Schleier und Haube zugleich zu tragen. Es gab unzählige unterschiedliche Ausformungen dieser Sitte, z.B. konnte der Schleier auch über ausladende Drahtgestelle drapiert werden. Nachwirkungen dieser Trends haben sich bei den Trachten von Nonnen zum Teil bis heute erhalten.

Am Ende des 15. Jahrhunderts gab es in Form von eng an der Stirn zusammengebundenen Hauben aber auch praktischere Modeerscheinungen. Anhand des Grabsteines der Anna Hofer im rechten Seitenschiff der Schwazer Pfarrkirche lässt sich aufzeigen, dass die familiären und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen hier tätigen Gewerken und Augsburg dazu führten, dass Veränderungen auf dem Gebiet der Kleidersitten rasch ihren Weg nach Tirol fanden. Anna Hofer ist auf ihrem Grabstein (1493) mit einer Haube abgebildet, welche die Stirnpartie eng umschließt und sich nach hinten ballonartig ausweitet. In Verbindung mit dieser Kopfbedeckung war es üblich, einen um das Kinn herumgeführten Schleier zu tragen, der meistens seitlich über die Schulter, das Dekolleté und die Brüste „spielerisch“ herabfiel. Die Hauben selbst waren im Nacken befestigt. Am Hinterkopf verfügten sie über Ösen, durch die Bänder gezogen wurden.

Die Vielfalt der Hauben und Arten, Schleier zu binden, ist um 1500 so unüberschaubar, dass diese Kleidungsstücke als „die liebsten Kinder der Damenwelt“ angesehen werden müssen. Der betriebene Aufwand wurde in zeitgenössischen Quellen auch oft kritisiert. Den Damen wurde nachgesagt, das „halbe Jahr“ nur für Schleier und Hauben aufzuwenden. Jede Frau von Stand besaß mehrere Hauben: neben Alltagshauben auch Fest- und Tanzhauben. Zugleich wurde das die Stirn bedeckende Schleiertuch – wie am Beispiel der Anna Hofer zu sehen – sorgfältig in möglichst zahlreiche, parallel verlaufende Fältchen gelegt. Doch diese Art, einen Schleier anzulegen, scheint in Augsburg derartige Formen angenommen zu haben, dass sich Kaiser Maximilian bei seinem Besuch in der Fuggerstadt 1518 veranlasst sah, die Augsburger Patrizierinnen (Mitglieder des hohen Bürgertums) zu bitten, doch künftig mit unbedecktem Gesicht zum Tanz zu kommen. Weiters wird berichtet, dass die Bürgerinnen nach einer Unterredung zwischen Maximilian und dem damaligen Bürgermeister von Augsburg einwilligten, ihre das Kinn verhüllenden Schleier fortan bei Tanzveranstaltungen abzulegen.