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Amateurfotografie – sozialgeschichtliche Dokumente der Vergangenheit (um 1918)

Aus einer privaten Fotosammlung sind im Tiroler Kunstkataster rund 200 Glasplattennegative im Format 9×12 cm erhalten, die einen sehr guten Einblick in den Bereich der Amateurfotografie geben. Die Aufnahmen stammen aus der Hand eines namentlich nicht bekannten Hobbyfotografen, der in der Hauptsache Familienmitglieder porträtiert sowie Familienszenen, Ausflüge und besondere Ereignisse festgehalten hat.

Aus einzelnen Beschriftungen der Papierhüllen, in denen die Negative verpackt sind, hat der Fotograf teilweise die Namen der abgebildeten Personen, Orte und Zeitangaben mit Bleistift vermerkt. Daraus und aus den gewählten Motiven lässt sich nur sehr oberflächlich das soziale Umfeld rekonstruieren, in dem die Fotografien entstanden sind: Der Fotograf und dessen Familie haben in Innsbruck gewohnt und stammen aus dem bürgerlichen Milieu. Ausflüge und Bergwanderungen in der näheren Umgebung und Sportarten wie Tennis gehören zu den Freizeitbeschäftigungen.

Jahreszahlen auf den Papierhüllen („1918“, „1919“) lassen auch eine zeitliche Einordnung zu und verweisen darauf, dass es sich bei dieser kleinen Sammlung um ein relativ frühes Beispiel von Amateurfotografie in Tirol handelt.

Die ersten Versuche im Bereich der privaten Amateurfotografie reichen bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück und entstehen meist aus wissenschaftlicher Neugierde an der Entwicklung des neuen Mediums. Dazu kommt aber bald eine neue Gruppe, die vor allem ab dem beginnenden 20. Jahrhundert versucht, anspruchsvolle Bildleistungen zu schaffen und vornehmlich aus wohlhabenden Kreisen stammt. Zu dieser Zeit ist die Beschaffung von Kamera, Materialien und Zubehör sowie die Einrichtung eines Laboratoriums zum Entwickeln und Ausarbeiten der Fotos mit beträchtlichem finanziellem Aufwand verbunden.

Fotografiert werden Personen, zu denen eine persönliche Bindung besteht, Objekte, an denen der Fotograf interessiert ist, und Augenblicke, die als nicht alltäglich erlebt werden. Auslösendes Moment ist ein persönliches Interesse des Fotografen am Motiv oder an der Situation. Die ästhetische Bildgestaltung ist dabei eher sekundär und wird intuitiv entschieden. Verwendet werden die Aufnahmen ausschließlich im privaten Kreis als Erinnerungsstücke und als persönliche Dokumente der Lebensgeschichte. Die private Ausrichtung sowohl in der Bildherstellung als auch in der Nutzung dieser Fotografien ist ein wesentlicher Aspekt der Amateurfotografie. Denn dadurch schafft sich der Hobbyfotograf einen relativ individuellen und unabhängigen Spielraum in seiner Wahl der Bilderwelt und der Bildthemen.

Dominante Themen sind Familie und Freizeit. Sehr gerne wird die inszenierte familiäre Idylle abgelichtet, weil damit der private Bereich erlebt und festgehalten werden kann. Familienbilder im Garten sind beliebt und häufig, weil in diesem Rahmen auch der ungeübte Fotograf bei guten Lichtverhältnissen und in Ruhe mehrere Versuche für das gewünschte Ergebnis machen kann. Beliebte Motive der Hobbyfotografen sind Wanderungen und Ausflugsfahrten im Familien- oder Freundeskreis, bei denen die Teilnehmer an interessanten Plätzen oder bei Gelegenheiten abgelichtet werden, die erinnerungswürdig erscheinen. Wichtig ist dabei immer, dass wesentliche Augenblicke im Bild festgehalten werden. Die Höhepunkte eines Ausfluges oder einer Familienfeierlichkeit sollen nachvollziehbar werden, wenn man das Erinnerungsbild zu einem späteren Zeitpunkt wieder in die Hand nimmt. Das Fotografieren erhält so – als begleitende Handlung eines besonderen Ereignisses – dokumentarischen Charakter.

In der kulturhistorischen Einordnung und Bewertung der privaten Amateurfotografie fehlt dem Betrachter von außen grundsätzlich der persönliche Zugang und der Kontext für das Verständnis der Bilder. Die Privatsphäre der Fotografien erlaubt in der Interpretation keinen anderen Zugang, als sie als Teil des Alltags zu begreifen. Sie sind sozialgeschichtliche Zeugnisse einer Alltagskultur und Dokumente der Vergangenheit, die verstanden werden können, wenn man den lebensgeschichtlichen Zusammenhang mit berücksichtigt.