Angeregt durch den Alpinismus des 19. Jahrhunderts und dessen Interesse an der Erforschung und Erkundung der Gebirge entstanden in den 1860er-Jahren die ersten Bergfotografien. Die unhandliche und schwere Fotoausrüstung mit Großformatkameras, Stativen und Glasplattennegativen machten das Fotografieren im Hochgebirge allerdings zu Kräfte raubenden Unternehmungen.
Als ab dem Jahr 1925 die Firma Leitz mit einem in Serie produzierten Leica-Modell hochwertige Kleinbildkameras auf den Markt bringt, setzen sich auch die Bergfotografen der Zeit mit der neuen Technik auseinander. Stefan Kruckenhauser (1905-1988) beschäftigt sich zeitlebens sehr intensiv mit dieser Thematik und gilt zu Recht als Pionier der Leica-Fotografie. Unzählige Bergfotografien, die der Tiroler Kunstkataster aus dem Nachlass des Fotografen aufbewahrt, geben Aufschluss über seine konsequente Arbeit an technischen und ästhetischen Kriterien für diesen Bereich der Fotografie, den er in dem gemeinsam mit einem Mitarbeiter der Firma Leitz, Max Zühlcke, herausgegebenen Buch „Das Bergbild mit der Leica“ (München, 1938) zusammengefasst hat.
Auch Stefan Kruckenhauser hat selber noch Erfahrung in der Arbeit mit den Großformatkameras gemacht: „Auch ich […] kenne die Berge aus Zeiten, da ich nicht scheute, Kameras, die heute zu den Großkameras gehören (10×15), in die Berge zu nehmen, wenn ich auch damit öfters unfreiwillig eine Bergfahrt erdrückte, weil die Last der Rucksackes unerträglich wurde.“ (Bergbild mit der Leica, S. 23).
Die Vorteile der Kleinbildtechnik liegen auf der Hand: die Kamera passt samt Objektiven und ausreichend Filmmaterial in einen Rucksack, die Bedienung ist einfach und lässt je nach alpinistischem Können des Fotografen ausgefallene Aufnahmestandpunkte zu. Deshalb propagiert Kruckenhauser: „Dem Bergsteiger bleibt nur eine Kleinkamera als Werkzeug!“ (Bergbild mit der Leica, S. 24). In einem umfangreichen Text stellt er seine pädagogischen Fähigkeiten unter Beweis und betont die Stärke der Kleinbildkamera für das Genre der Bergfotografie.
In der Hochgebirgsregion des Arlbergs, wo Kruckenhauser ab dem Winter 1934/1935 als Leiter des Bundessportheims in St. Christoph tätig ist, entstehen über die Jahre unzählige und für das fotografische Werk Kruckenhausers typische Aufnahmen. Spektakuläre und dramatische Winterbilder aus dem Hochgebirge dominieren die Arbeit des Fotografen, der von seinem ersten Winter am Arlberg und vom Naturschauspiel überwältigt schreibt: „Sechs Monate Schnee und Sonne, Sturm und Nebel, – sechs Monate Schauen und immer wieder Schauen, dann wußte ich erst ein wenig, was der Arlberg ist.“ (Kruckenhauser, Du schöner Winter in Tirol, Berlin 1937, S. 9).
In diesem Kommentar sowie in den Fotoaufnahmen kommt deutlich ein Aspekt zum Tragen, der der Bergfotografie von Anbeginn anhaftet: Der Anstrich von Abenteuer und außergewöhnlichen Grenzerfahrungen in der Natur, oftmals auch des unkalkulierbaren Risikos und des Experiments.
So wie sich die fotografische Technik verbesserte, die Apparate leichter und leistungsfähiger wurden, steigerten sich auch die körperliche Anstrengung und die sportliche Fitness der Fotografen, um den Anforderungen gewachsen zu sein und diese Errungenschaften besser ausnutzen zu können. In der Bergfotografie verbinden sich so zwei Kulturtechniken der Moderne – Sport und Fotografie. Der fotografische Gegenstand ist nicht nur vom fotografisch-künstlerischen Vermögen abhängig, sondern in gleicher Weise von ausgefeilten alpinistischen Fähigkeiten. Das fertige Bild ist immer Ausdruck einer doppelten physischen Aktivität: Zum einen ist eine außergewöhnliche körperliche Anstrengung notwendig, zum anderen ein bewusstes Sehen und dessen visuelle Umsetzung in ein Bild.