Vom Gesellschaftsleben der Barockzeit sind gerade in Tirol die religiösen Bruderschaften nicht wegzudenken, die neben Werken der Frömmigkeit und Nächstenliebe viele kulturelle Impulse innerhalb ihrer Gemeinden gesetzt haben. Beinahe um jede größere Kirche hat sich nach dem Erstarken der Gegenreformation als Reaktion auf den Protestantismus eine katholische Bruderschaft gebildet.
Diese religiösen Vereinigungen pflegten ihren Mitgliedern als Bescheinigung ihrer Zugehörigkeit so genannte „Bruderschaftszettel“ auszustellen. Darauf wurde die ordnungsgemäße Aufnahme bestätigt, aber auch die mit der Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen und geistlichen Vorteile angeführt.
Nach dem Tod eines Mitgliedes wurde der Bruderschaftszettel an den zuständigen geistlichen Vorstand eingeschickt, um die versprochenen Gottesdienste zu erlangen. Hatte ein Bruderschaftszettel diese letzte Aufgabe erfüllt, wurde er in den meisten Fällen vernichtet. Deshalb sind heute Bruderschaftszettel entweder nur noch in Museen oder als Sammlerstücke erhalten.
Im Archiv des Tiroler Kunstkatasters sind Bruderschaftszettel dokumentiert, die aus einer Privatsammlung stammen. Diese Einblattdrucke weisen – je nach finanzieller Möglichkeit der örtlichen Bruderschaft – oft große Qualitätsunterschiede auf,. Die Darstellungen haben auf jeden Fall kunst- und kulturgeschichtlichen Wert.
Gnaden- und Heiligenbilder geben Einblick in die religiöse Verehrung. Zwei Bruderschaftszettel aus Pettnau (Kupferstiche, um 1700) und aus Gries am Brenner (Kapelle hll. Christoph und Sigmund am Lueg, Kupferstich, 18. Jahrhundert) beziehen sich auf die lokalen Bruderschaften zu Ehren des Hl. Wandels und stellen diese ikonografische Szene mit Jesus, Maria und Josef bildlich im Zentrum dar.
Mitunter können Bruderschaftszettel auch wichtige Belege zur Orts- und Siedlungsgeschichte sein. Zwei jüngere Beispiele aus dem 19. Jahrhundert stellen die Kirchenbauten bildlich dar, an die die Bruderschaften gebunden waren. Auf einer Lithografie der Isidorbruderschaft in St. Jodok in Vals im Wipptal (1838) und einem Kupferstich der Rosenkranzbruderschaft in Ebbs im Unterinntal (1846) ist die jeweilige Heiligendarstellung in den lokalen landschaftlichen Rahmen – mit den zugehörigen Kirchenbauten im Hintergrund – platziert.
Die gedruckten Zettel enthalten neben der offiziellen kirchlichen Bestätigung der jeweiligen Bruderschaft die wichtigsten Verhaltensregeln für Mitglieder sowie Gebete. Der Textteil veranschaulicht sehr gut den geistigen und gesellschaftlichen Hintergrund sowie das Wirken der Bruderschaften.
Ein Hauptaspekt dieser religiösen Gemeinschaften bestand in der Ausübung freiwilliger Werke der Frömmigkeit. Dazu zählten besonders Gebete, der vermehrte Gottesdienstbesuch, Bußwerke und besondere Andachtsformen. Hintergrund all dieser frommen Übungen war die Sorge um das Seelenheil aus Angst vor dem plötzlichen und unerwarteten Tod ohne rechtzeitiger Vergebung der Sünden und den damit verbunden geglaubten Qualen im Fegefeuer. Bruderschaften stellten gerade in diesem Zusammenhang ihren Mitgliedern in Aussicht, durch das Gebet auf eine gnadenreiche Sterbestunde hoffen zu können. Nach dem eigenen Tod war dafür gesorgt, dass für das Seelenheil die entsprechenden Gottesdienste gelesen und die Mitglieder durch intensives Gebet die Aufenthaltsdauer im Fegefeuer verkürzen würden.
Große Anziehungskraft übten die Gemeinschaften vor allem aus, weil sie Ablässe in Aussicht stellten. Der Ablass ist nach katholischem Verständnis ein von der Kirche ausgesprochener Nachlass zeitlicher Sündenstrafen. Er verkürzt oder entschärft die Höhe einer Strafe, kann aber nicht für die Schuld einer Sünde gewährt werden. Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Ablasses waren immer Beichte und Reue. Auf vielen Bruderschaftszetteln ist das zeitliche Ausmaß des Ablasses je nach Werk der Frömmigkeit und Bußübung gestaffelt aufgelistet.
Neben dem Gebet lagen die gesellschaftlichen Aufgaben einer Bruderschaft vor allem auf sozial-caritativem Gebiet. Weil sie aus den Beiträgen ihrer Mitglieder und aus sonstigen Vermächtnissen oft über reichliche finanzielle Mittel verfügten, waren sie auch in der Lage, beträchtliche Beträge auszugeben. Für den eigenen Bedarf wurden Prozessionsgegenstände, Kerzen oder Bilder angeschafft. Nicht geringe Mittel wurden in der sozialen Fürsorge für Krankenpflege, Unterstützung der Armen, Errichtung von Schulen bereitgestellt, daneben aber auch für Renovierungen von Kirchen.