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Doktor über alle Doktoren – Christus als Arzt und Apotheker auf Ölgemälden (ab  1700)

Die Annahme, dass Dämonen schwere Krankheiten verursachen, war noch bis in die Barockzeit verbreitet, und daher glaubte man, dass viele Seuchen, Leiden und Unfallfolgen nur durch himmlischen Beistand geheilt werden könnten. Wie ein kleines Gemälde aus der Region Telfs vor Augen führt, ist das der Grund, weshalb Christus gerne als Arzt und Apotheker dargestellt wurde.

In der Mitte des kleinen Bildes steht der jugendliche Christus. An seiner Seite und über ihm befinden sich Engel, die ihm bei seiner Arbeit als Apotheker assistieren. Im Hintergrund der Figuren öffnet sich eine für die Zeit um 1700 typische Apotheke. Ursprünglich bedeutete der Begriff Apotheke „Aufbewahrungsort“, weshalb die so genannte „Materialkammer“ in ihrem Zentrum stand. Dieser Raum war fast immer mit zweiteiligen Apothekerschränken eingerichtet. Ein Teil der Schränke enthielt Schubladen, ein anderer Teil Regale mit Flaschen und Dosen. Das Merkmal aller Behälter war ihre Beschriftung mit der lateinischen Bezeichnung für ein Heilmittel oder einfachen Initialen als Hinweis auf ihren Inhalt. Links von Christus ist ein Tisch abgebildet, auf dem Schreibutensilien, ein Rezept und eine Schüssel zum Vermischen von Medikamenten zu sehen sind.

Das Bildthema von Christus als himmlischer Arzt – er wurde auch „Doktor über alle Doktoren“ genannt – geht auf Kupferstiche zurück, die europaweit Verbreitung fanden. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wandelte sich das Sujet und Christus wurde häufiger als Apotheker wiedergegeben, der „himmlische Medizin“ verabreicht. Der heutige Wert der Darstellungen von Christus als Arzt und / oder Apotheker liegt darin, dass aus den Abbildungen Rückschlüsse auf das Aussehen und die Einrichtung der Apotheken früherer Epochen gezogen werden können. Wie bereits erwähnt, handelt es sich dabei in den meisten Fällen um die Materialkammern der alten Pharmazien.

Der Beruf des Apothekers im heutigen Sinn entstand im 13./14. Jahrhundert. Es waren die Krämer und Gewürzhändler, die sich im Lauf der Zeit auf die Herstellung von Arzneimitteln spezialisierten. Die ersten in Tirol nachweisbaren „Pharmazeuten“ stammten aus Oberitalien, weil der Hafen von Venedig ein wichtiger Umschlagplatz für die einzelnen Substanzen von Arzneien war. Die erste Apotheke des historischen Tirol befand sich 1236 in Trient, weitere Gründungen fanden 1317 in Bozen und 1381 in Meran statt. Die Erwähnung einer Apotheke in Innsbruck 1303 wirft im Gegensatz dazu die Frage auf, ob es sich bei dieser Einrichtung nicht eher um eine Drogerie handelte, weil hier auch Pfeffer, Safran und Wachs verkauft wurden.

Apotheken sind ursprünglich städtische Einrichtungen. Es musste nämlich eine gewisse Bevölkerungsdichte und somit ein Kundenpotenzial vorhanden sein, um einen Apotheker dazu zu bewegen, sich dauerhaft niederzulassen. Auch setzte die Gründung einer Pharmazie ein gewisses Kapital voraus, da sowohl ihre Einrichtung („Corpus“) als auch ihre Ausstattung mit Arzneimitteln kostspielig war. Daher waren Stadtapotheken Prestigeobjekte. Zugleich beschäftigten sie immer wieder die Gemeindegremien, weil u.a. ihre Sauberkeit oder die Einhaltung des Apotheker-Eides zu überprüfen war. Z.B. hatten sich die Apotheker in Innsbruck ab 1522 zu verpflichten, nur frische Waren anzubieten, kein Gift zu verkaufen, die Rezepte genau zu befolgen und unter keinen Umständen Abtreibungsmittel weiterzugeben. Bereits damals gab es auch einheitlich geregelte Preise für Arzneimittel. Es musste aber auch für die Einhaltung dieser Vorschriften gesorgt werden. Zumeist war es ein dreiköpfiges Ärzteteam, das die so genannten „Visitationen“ (Kontrollbesuche) in den Pharmazien vorzunehmen hatte.

Einige Namen von Tiroler Apothekern haben sich deshalb überliefert, weil ihnen in Zeiten der Pest Geldmittel zur Verfügung gestellt wurden, damit sie für die Versorgung der Kranken Medizinen und „Werkzeug, zu der Arznei dienend“ einkaufen konnten. Manchmal gab es aber auch Probleme. Beispielsweise wurde in den Jahren 1545 und 1550 das Geschäft des wohlhabenden Haller Apothekers Leonhard Pankhofer beanstandet, weil er u.a. nicht frische Ware verkaufe, überhöhte Preise verlange und überdies Kupfergeschirr anstelle von Glasbehältern für die Herstellung von Arzneien verwende.

Anhand dieses Vorfalles lässt sich aufzeigen, dass den Apothekern in den Augen der Bevölkerung nicht ohne Grund eine kaum kontrollierbare, geheimnisvoll-wundertätige „Macht“ zugesprochen wurde. Im Vergleich dazu waren die von Christus abgegebenen „Seelenarzneien“ eine Medizin, die sich jeder Gläubige – quasi „rezeptfrei“ – zu Eigen machen konnte. Am Gemälde „Christus als Apotheker“ wird das so veranschaulicht, dass jede Arzneibüchse und jeder Behälter von links oben mit einer fortlaufend zu lesenden Beschriftung versehen wurde, die mit den Worten beginnt: „Die Lieb/ deß/ negsten/ Eiffer/ Gebet/ Begierdt/ Temuet/ Geduld…“ Der Text endet auf den am Tisch befindlichen Gefäßen bzw. der von ihm herabhängenden Schriftrolle wie folgt: „Gott/ gen diß alles/ den meine Medzin gefalt. Kans Nehmen nach Belieben. Ich gebe eß Jeden Jung und alt, will kein dermit Bedriegen.“