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Ecce-homo oder Schmerzensmann – figürliche Darstellungen des gegeißelten Christus  (ab 1735)

In der abendländischen Kunst ist die Darstellung des leidenden Christus – auch als „Schmerzensmann“ bezeichnet – auf Gemälden und Skulpturen ein geläufiges Thema. Hinter dem Begriff verbirgt sich der aus der Byzantinischen Kunst stammende Bildtyp des „Imago pietatis“ (lateinisch „Andachtsbild“). Andachtsbilder mit der Darstellung des leidenden Christus sind seit dem Mittelalter bekannt und gelangten wohl mit den Kreuzfahrern bzw. über die Handelswege der Venezianer nach Europa, wo sie aber nicht nur im Bereich der Hochkultur, sondern auch in der Volkskunst weite Verbreitung fanden. Andere Bezeichnungen für Schmerzensmann sind „Erbärmdechristus“, „Not Gottes“, „Miserikordienbild“ oder „Misericordia Domini“. Ursprünglich handelte es sich bei den Abbildungen um Meditationsbilder, auf denen Christus als Halbfigur in seinem Grab (Sarkophag) aufrecht stehend als Sieger über den Tod dargestellt wurde.

Manchmal vermischen sich diese Darstellungen auch mit dem „Ecce homo“-Motiv. Im Unterschied dazu handelt es sich dabei um Abbildungen von Christus als Gegeißeltem ohne Wundmale. Das Bildschema verweist auf die Bibelstelle im Johannesevangelium (Joh. 19,5), in welcher der gefolterte Gottessohn von Pilatus dem Volk vorgeführt wird.
Pilatus stellt den in einen roten Purpurmantel gehüllten und eine Dornenkrone tragenden Jesus mit folgenden Worten vor dem Volk zur Schau: „Seht, da ist der Mensch!“ (lateinisch „Ecce homo!“).

Eine künstlerisch wertvolle Ecce-homo-Plastik ist uns vom Kitzbüheler Bildhauer Franz Offer (Ofner) d.Ä. (1695-1753) in Kirchberg in Tirol erhalten geblieben. Auf Franz Offer, der in Mittersill ausgebildet wurde und sich später in Kitzbühel niederließ, geht eine ganze Reihe von Schmerzensmann- bzw. Ecce-homo-Figuren in der Region zurück, sodass es den Anschein erweckt, als hätte sich der Künstler auf dieses Motiv spezialisiert. Bei der Ecce-homo-Figur in Kirchberg handelt es sich um eine bibelgetreue Gestaltung. Christus muss seinen geschändeten Körper präsentieren, er ist stehend mit Purpurmantel, Dornenkrone und Spottszepter dargestellt. Der Künstler legte auf eine realitätsnahe Darstellung besonderen Wert, was zudem auch der Umstand belegt, dass er Christus eine echte Dornenkrone aufs Haupt setzte. Um sein Leiden eindrucksvoll zur Geltung zu bringen, stattete er seinen Körper zusätzlich mit zahlreichen Wunden aus.

Bei einem „typischen“ Ecce-homo-Motiv geht es um die Darstellung der seelischen und körperlichen Schmerzen, die Jesus unmittelbar vor seiner Hinrichtung erlitten hat. Angesichts der Plastik von Franz Offer d.Ä. kann sich der Betrachter gut vorstellen, dass Jesus – bildlich gesehen – vor der Volksmenge festgehalten werden soll, die seinen Tod fordert: Der Künstler zeigt Christus in Bezug auf seine Bewegung und die abwehrende Geste mit seinem rechten Arm im Moment des erschreckten Zurückweichens vor der aufgebrachten Menge.

Eine abgeänderte Darstellungsweise des Ecce-Homo-Motivs zeigt Christus auf einem Block sitzend. Sein rechter Ellbogen ist am Oberschenkel abgestützt und er lehnt seine Wange in seine rechte Hand. Am Haupt trägt der Gegeißelte die Dornenkrone und in seiner Linken hält er – als Zeichen für die Verspottungen durch die römischen Soldaten – das so genannte „Spottszepter“. Es steht für die Insignie eines Königssohns bzw. „Gottessohnes“. Der Purpurmantel fehlt hier. Diese vielfach in Wegkapellen anzutreffende Art der Darstellung wird im Volksmund als „Christus auf der Rast“ oder – wegen der Hand an der Wange – als „Zahnwehherrgott“ bezeichnet.

Im Raum Hopfgarten im Brixental existiert eine weitere interessante Ecce-homo-Darstellung. Um die Geschehnisse rund um die Verhaftung und Folterung Christi noch anschaulicher zum Ausdruck zu bringen, stellte der Künstler Jesus in einem an einer Seite offenen Kästchen dar. Das Kästchen hat eine Höhe von ca. 34 Zentimetern und dient der Wiedergabe des Kerkers, in dem Jesus als Gefolterter und an Ketten Gefesselter gefangen war. Möglicherweise wurde das kleine, volksnah gestaltete Objekt während der Karwoche in einem Pfarrhaus aufgestellt.