Schon im Alten Testament wird der Erzengel Michael als ranghöchster Engel, als Oberbefehlshaber der Engelsheerscharen, genannt. Im Christentum gilt Michael insbesondere als Bezwinger des in Ungnade gefallenen Teufels (Höllensturz) und als Seelenwäger am Tag des Jüngsten Gerichts.
Seit dem frühen Mittelalter wird Michael als geflügelter Engel in Rüstung mit Lanze und feurigem Schwert dargestellt, der die höllischen Mächte – oft in Gestalt eines Drachens – bezwingt. Der Drache ist zugleich Symbol der gottfeindlichen Mächte, die der hl. Michael bekämpft. Er galt daher als Personifizierung des christlichen Ritterideals, als Beistand gegen die Feinde des Reiches und der Kirche und wurde zum Schutzpatron des Heiligen Römischen Reiches (= Herrschaftsbereich der römisch-deutschen Kaiser vom Mittelalter bis zum Jahre 1806 mit der Absicht, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen zu legitimieren). Dem hl. Michael sind auch zahlreiche Burgen, Tore und Türme geweiht.
Im Kampf der Seele gegen das Böse erscheint er in der wichtigen Position des Seelenwägers mit Schwert und Waage, der beim Jüngsten Gericht über die Sünden richtet und die Seele des Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits begleitet.
Zwei Altarplastiken aus der Barockzeit zeigen gänzlich entgegengesetzte Auffassungen vom Höllensturz, dem Kampf des Erzengels Michael gegen den Teufel. Die eine Plastik stammt vom Landecker Bildhauer Johann Patsch (1600-nach 1646) und ist um 1630 entstanden. Die Figur des Teufels hingegen ist ein Werk des Osttiroler Künstlers Johann Paterer aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Der vom Himmel schwebende Erzengel in wallenden Gewändern nimmt mit stichbereiter Lanze eher gelassen den Kampf gegen das Böse – in Gestalt eines Teufels – auf, den er kopfüber in die Hölle hinab stößt.
Dem gegenüber steht eine Figurengruppe aus dem Tiroler Unterinntal, die dem bedeutenden spätbarocken Bildhauer Josef Martin Lengauer (1728-1793) aus Kitzbühel zugeschrieben wird und die um 1768 entstanden ist. Dramatisch dargestellt ist der Augenblick, in dem der hl. Michael in voller Ritterrüstung mit Helm und Schild „in heiligem Zorn“ sein flammendes Schwert weit ausholt, um den zu seinen Füßen sich windenden Teufel in die Hölle hinabzustürzen.
Große Bedeutung kommt dem Erzengel Michael auch als Totenheiligem im traditionellen Volksglauben zu. Er führt ein Verzeichnis der guten und schlechten Taten eines jeden Menschen, das diesem am Tage des Jüngsten Gerichts vorgelegt wird und auf dessen Basis der Erzengel über ihn richtet. Er erscheint hier in der wichtigen Position des Seelenwägers mit Schwert und Waage.
Wie eine barocke Skulptur aus Osttirol aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eindrucksvoll schildert, ist der hl. Michael als geflügelter Erzengel in römischer Soldatenrüstung dargestellt. In der linken Hand hält er eine Waage. In der einen Schale ist die menschliche Seele in Gestalt eines kleinen nackten Menschen dargestellt, in der anderen Waagschale werden die Sünden des Menschen dagegen aufgewogen. In der rechten erhobenen Hand hält der Erzengel das Flammenschwert als Symbol für das Wort Gottes in gerechter Sache.
Der hl. Michael geleitet auch die Seele des Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits. Viele Friedhofskapellen haben daher ein Michaelspatrozinium.