In der Kunstgeschichte nehmen Brunnen einen bedeutenden Stellenwert ein, weil sie als Elemente der dekorativen Platz-, Garten- oder Parkgestaltung oft von renommierten Künstlern geschaffen wurden. So zählt z.B. der Leopoldsbrunnen beim Tiroler Landestheater am Rennweg in Innsbruck auch deshalb zu den Wahrzeichen der Landeshauptstadt, weil er nach Entwürfen des bekannten manieristischen Bildhauers Caspar Gras (1585 Mergentheim bei Würzburg-1674 Schwaz) entstanden ist.
Im Unterschied dazu erregen die Brunnen weniger Aufsehen, die nicht als Blickfang in städtischen Anlagen, sondern für die Grundversorgung der bäuerlichen Bevölkerung geschaffen wurden: die Dorfbrunnen. Eine besondere Form von Dorfbrunnen kann im Tiroler Oberland besichtigt werden, wo so genannte „Fasslbrunnen“ als Viehtränken, zum Wäschewaschen, als Kinderspielplatz etc. dienten. Heute prägen diese Kleindenkmäler mit ihrem plastischen Schmuck ganz wesentlich das Ortsbild und werden vom Tiroler Kunstkataster als Relikte der ländlichen Arbeitswelt wissenschaftlich dokumentiert.
Gerade im niederschlagsarmen Tiroler Oberland war die Wasserversorgung des Dorfes und der Felder mit kleinen künstlichen Wasserläufen („Waalen“) oder Brunnen, die aus Bächen, Quellen und Weihern („Pietzen“) gespeist wurden, ein wichtiges Thema. Die dichter werdende Besiedlung der Region, das Wachstum der Dorfgemeinschaften, die Hofteilungen und die Intensivierung der Landwirtschaft machten es im Lauf der Zeit notwendig, in den Dörfern mehrere Brunnenanlagen zu errichten.
In Fiss sind mehrere Brunnen erhalten, die gemäß den Gepflogenheiten in den ehemals rätoromanisch besiedelten Ortschaften als Fasslbrunnen ausgeführt wurden. Dieser regionale Brunnentyp besteht aus einem runden „Schaff“, das dem Aussehen eines „aufgeschnittenen“ Weinfasses nachempfunden ist, und einem Brunnenstock (auch Brunnenpfosten), der aus einem massiven Baumstamm gefertigt wurde und eine Brunnenplastik trägt. Das Brunnenrohr wurde in der Vergangenheit nur aus Holz gefertigt, heute besteht es aus einem hölzernen Rohr, das über einen innen liegenden Ausguss aus Metall verfügt. In früheren Zeiten wurden in den Dörfern Brunnengemeinschaften gebildet, die für die Instandhaltung der Brunnenbecken und der ebenfalls hölzernen Zuleitungsrohre („Teichl“) zuständig waren.
Die Bauern führten ihre Tiere jeweils zum nächstgelegenen Brunnen. Auf alten Fotografien wird eindrücklich vor Augen geführt, worin der Vorteil der runden Brunnenform liegt: Hier konnten nämlich mehr Tiere gleichzeitig trinken als aus länglich geformten Brunnentrögen. Außerdem wurden hier Neuigkeiten ausgetauscht, Kinder spielten und bei Brandkatastrophen wurde aus den Brunnen mit Handspritzen Löschwasser entnommen.
Die meisten ländlichen Brunnenfiguren wurden von anonym gebliebenen Künstlern geschaffen. Es lässt sich aber an ihnen nachvollziehen, dass das für das Wohlergehen von Mensch und Tier wichtige Wasser stets in eine Verbindung zur Religion gesetzt wurde. Zu den häufigen plastischen Darstellungen zählen daher Christus als Guter Hirte, Johannes der Täufer und die beiden Heiligen Sebastian und Johannes von Nepomuk. Der auch als Brückenheiliger bekannte hl. Johannes von Nepomuk (1350-1393) war ein böhmischer Priester und Märtyrer. Er ist der Schutzpatron vor Wassergefahren. Der hl. Sebastian war ein römischer Soldat und Märtyrer, der als Schutzheiliger gegen die Pest und Seuchen angerufen wird bzw. als Beschützer der Brunnen gilt.