Theodor Prachensky (1888-1970) zählt zu den wichtigsten Architekten im Tirol der Zwischenkriegszeit. Er war mehr als vierzig Jahre lang im Bauamt der Stadt Innsbruck beschäftigt und widmete sich in seiner Freizeit der Malerei. Dabei verarbeitete er oft Natureindrücke, die er bei seinen zahlreichen Bergtouren gewonnen hatte. In einer Autobiografie bezeichnete er sich als „Alleingeher“ – ein Begriff, der in Tirol für einzelgängerische Bergsteiger verwendet wird – „Tourist und Naturschwärmer“.
Für Theodor Prachensky war es zeitweise aus finanziellen Gründen wichtig, neben seiner Tätigkeit für das Innsbrucker Bauamt auch bei privaten Auftraggebern Beschäftigung zu finden. In diesem Zusammenhang befasste er sich 1935/1936 mit einer Bauaufgabe, die ihm als Bergsportler besonders gelegen sein musste: einer Erweiterung der Glungezerhütte auf 2.610 Metern Seehöhe, oberhalb von Tulfes.
Die Glungezerhütte wurde ursprünglich 1933 als Starthaus für den Glungezer-Abfahrtslauf der 1. FIS-Schiweltmeisterschaft in Innsbruck errichtet und bereits ein Jahr später durch Leo Handl vom SCT (Schiclub Tirol) erweitert. Ein neuerlicher Ausbau der Glungezerhütte im darauf folgenden Jahr 1935 kam – wie bei so vielen Schutzhäusern – wohl aufgrund des regen Publikumszuspruchs zustande.
Der Bau und alle weiteren Anbauten folgen der ursprünglichen Form des zur Berghütte umfunktionierten Starthauses. Es handelt sich um ein einfaches kubisches Gebäude, das aus vor Ort auffindbarem Steinmaterial errichtet wurde. Der Bau und alle weiteren Anbauten wurden mit Pultdächern abgedeckt. Im Unterschied zu in vergleichbaren Lagen errichteten Schutzhäusern und Seilbahnstationen sind die unterschiedlich dimensionierten Pultdächer der Glungezerhütte aber nicht weit über die Fassaden hinaus gezogen worden. Daher verfügt das Gebäude über keine „schützenden“ Vordächer.
Bei der Erweiterung folgte Theodor Prachensky der Leitidee, der Glungezerhütte an ihrem klimatisch exponierten Standort nicht eine neue Gestalt zu verleihen, sondern im Sinne einer Fortsetzung des Bestehenden anzubauen. Gerald Aichner, langjähriger Vorstand der zuständigen Sektion Hall/Tirol des Alpenvereins, schreibt in einer Publikation über die Glungezerhütte: „Ein wahrer Zyklopenbau musste es werden und ist es unter der Planung von Architekt Theo Prachensky geworden. Die Mitglieder des SCT haben Sonntag für Sonntag selbst Hand angelegt, Steine gerollt und Lasten durchs Vicar heraufgeschleppt. Ein beeindruckendes Schutzhaus, erstaunend durch seine wuchtige, mit dem Berg verbundene Art, außen und innen. Wer zum ersten Mal die Halle betritt, kann seine Verblüffung nicht unterdrücken. Alles ist graues balkiges Holz, von wuchtigen Säulen getragen queren mächtige Deckenbalken den Raum. Und wenn draußen der Höllensturm fegt, hat man in diesem Raum das Gefühl einer verzauberten Geborgenheit.“
Bei der Gestaltung der Innenräume folgte Theodor Prachensky dem Anspruch, eine zeitgemäße architektonische Aussage mit alpiner Hüttenbehaglichkeit zusammenzuführen. Das gelingt ihm durch die Verbindung von Gestaltungselementen aus der volkstümlichen Baukultur – im weitesten Sinn der bäuerlichen Stube – mit der klaren Linienführung der Neuen Sachlichkeit.
Am Tag der Einweihung der Glungezerhütte (6.4.1936) entstand übrigens auch das vergänglichste architektonische „Werk“, das Theodor Prachensky jemals schuf: nämlich ein Altar aus Schnee für die Bergmesse vor der Hütte. Bedauerlicherweise konnte der Altar aber nicht benützt werden, weil aufgrund der schlechten Wetterlage die Messfeier in die Innenräume verlegt werden musste.
Tipp:
Weitere wichtige und in Innsbruck beheimatete Bauten von Theodor Prachensky sind: die Kriegergedächtnis-Kapelle im Pradler Friedhof (1915/1916), der Städtische Kindergarten Pembaurstraße (1928), der Pembaurblock (1926/1927) und die Doppelhaupt- und Volksschule Pradl, ebenfalls in der Pembaurstraße (1928-1936), der Mandelsbergerblock in der Mandelsbergerstraße (1927-1929) und das ehemalige Arbeitsamt in der Schöpfstraße (1931/1932, heute Außenstelle der Universität Innsbruck).