In der bildenden Kunst gibt es zahlreiche Darstellungen mit Mauern und Zäunen. Sie dienen der räumlichen Strukturierung einer Bildfläche, können aber auch spezifische religiöse Bedeutungen haben.
Zu den bekanntesten Beispielen mittelalterlicher Kunst, in denen eine Umfriedung eine zentrale Rolle spielt, zählt die Darstellung einer „Madonna im Rosenhag“. Wie der Begriff des „Hags“ schon andeutet, handelt es sich hierbei um ein altes Motiv. Denn der „Hag“ oder „hac“ bzw. althochdeutsch „zun“ (Zaun) war das wesentliche Merkmal einer germanischen Siedlung. Für bestimmte Darstellungen Mariens wurde der Begriff Rosenhag bzw. „hortus conclusus“ gewählt, um sie in einer (ihre Jungfräulichkeit) schützenden Umgebung mit paradiesischem Charakter abzubilden. Das steht mit dem Hohelied Salomons in Verbindung. Dieses Buch des Alten Testaments besteht aus einer auf König Salomon zurückgehenden Sammlung alter Hochzeitslieder, wobei im Mittelalter Maria die Stelle der Braut einnahm.
Darin heißt es (4,12): „Ein verschlossener Garten ist meiner Schwester Braut…“ Daneben symbolisiert eine Einfriedung in der Kunst aber auch eine „magisch-religiöse“ Grenze. Daher markieren Zäune auf vielen Abbildungen Übergänge, die biblische Gestalten auf ihrem Lebensweg passieren müssen, z.B. auf zwei bemerkenswerten Darstellungen von „Christus am Ölberg“ in Osttirol.
In der Wallfahrtskirche Maria Schnee in Obermauern (Virgen) kann an der nördlichen Langhauswand ein Fresko besichtigt werden, auf dem „Christus am Ölberg“ abgebildet ist. Die Wandmalerei stammt von Simon von Taisten (um 1450-um 1515) und entstand ca. 1484-1488. In den dazugehörigen Bibelstellen (z.B. Mk 14,32) wird berichtet, dass Jesus nach dem Letzten Abendmahl alleine sein und sich auf sein Leiden vorbereiten wollte. Er ging zum Garten Gethsemane am Ölberg, um zu beten. Er wurde von den Aposteln Petrus, Johannes und Jakobus dem Älteren dorthin begleitet, wobei in diesem Zusammenhang deutlich darauf hingewiesen wird, dass die anderen Jünger am Eingang des umfriedeten Gartens zurückblieben. Während Christus betete: „Vater nimm diesen Kelch von mir. Aber nicht was ich will, sondern was du willst (soll geschehen)“, schliefen die drei Jünger wiederholt ein. Der Kelch oder Becher steht im Alten Testament für den Zorn oder das Gericht Gottes, wohingegen er im Neuen Testament zum Symbol der göttlichen Gnade wurde. Am Ende der entsprechenden Bibelstelle heißt es: „Die Stunde ist gekommen; jetzt wird der Menschensohn den Sündern ausgeliefert. Steht auf, wir wollen gehen!“ In theologischer Hinsicht steht der Zaun also auch für die Grenze in dem Sinn, dass er den Übergang zur Kreuzigung als Höhepunkt des Leidensweges Christi darstellt. Der Zaun trennt sein irdisches Leben von dem im Reich Gottes.
Auf dem Wandgemälde in Obermauern sind alle wesentlichen Elemente der Bibelstelle enthalten. Im Bildgrund sieht man das in geringer Entfernung liegende Jerusalem, vor und hinter Jesus ist der den Garten Gethsemane umgebende Zaun abgebildet. Bei dem hier dargestellten Zaun handelt es sich um einen Flechtzaun, der zu den ältesten Zaunformen des Alpenraumes zählt. Er bestand aus im Boden verankerten Pfosten, die mit Weiden- oder Haselruten umflochten wurden. Die Gerten konnten unterschiedliche Flechtmuster aufweisen. Das Besondere an Flechtzäunen bestand darin, dass sie aus einem Gemisch von Lehm und Häckseln beworfen und anschließend gekalkt werden konnten, wodurch sie auch beim Bau von Häusern Verwendung fanden. Leider gibt es in Tirol kaum mehr Relikte dieser Zäune, sie haben eigentlich nur auf bildlichen Darstellungen die Jahrhunderte überdauert.
Ein weiteres Osttiroler Beispiel befindet sich in der Wallfahrtskirche St. Korbinian in Thal-Assling, wo ebenfalls ein Flechtzaun auf einer „Christus am Ölberg“-Abbildung verewigt wurde. Die Darstellung gehört zu einem Passionsaltar aus der Werkstatt des Meisters von St. Sigmund (1426-1450 im Südtiroler Raum nachweisbar) und dürfte um 1430 entstanden sein. Im Vergleich zum vorherigen Beispiel fällt auf, dass der Künstler der Altartafel vielmehr Christus am Ölberg als im Garten Gethsemane darstellen wollte und sich in der Wahl der einzelnen Elemente seines Bildes danach richtete. So scheint es, dass der hier abgebildete Flechtzaun eher eine Bergweide als einen Garten begrenzt. Auf jeden Fall dient der Zaun dem Künstler auch dazu, die im Bildvordergrund agierenden biblischen Gestalten vom Bildhintergrund zu trennen. Das Motiv des Flechtzauns trug dazu bei, dass es dem Künstler noch vor der Anwendung der Zentralperspektive gelang, einen Übergang zwischen der Szene im vorderen Bereich des Bildes und der Stadt Jerusalem im hinteren zu schaffen. Zusammenfassend kann man also festhalten, dass die Wiedergabe von Zäunen auf Darstellungen des 15. Jahrhunderts sowohl praktische Gründe hatte als auch symbolische. Sie war dazu gedacht, Bilder quasi perspektivisch zu strukturieren und ihren theologischen Gehalt zu vertiefen.