Der Tiroler Künstler Hans Andre (1902-1991) war vielseitig talentiert. Der Sohn eines Steinmetzen aus St. Nikolaus, Innsbruck, wurde ursprünglich zum Bildhauer ausgebildet, er widmete sich aber der Malerei ebenso wie der Grafik. Unter seinen auf dem Gebiet der grafischen Drucktechnik entstandenen Werken sind die „Exlibris“ besonders hervorzuheben, weil es sich dabei um eine Kunstrichtung handelt, die in Vergessenheit geraten ist. Exlibris sind kleine Blätter aus Papier, die für Besitzer von Büchern angefertigt wurden. Diese klebten ihre persönlichen Exlibris in ihre Bücher ein. Genau genommen war der Platz eines Exlibris die Rückseite des Buchvorderdeckels. Jeder, der ein mit einem Exlibris versehenes Buch öffnete, wusste so auf Anhieb, wer dessen Besitzer war.
Hans Andre stellte die bei ihm bestellten Exlibris meistens als einfärbige Holzschnitte her, seltener wendete er die aufwendigere Farbholzschnitt-Technik an. Viele der Besitzerzeichen wurden für bekannte Tiroler Kleriker entworfen. Wohl ein privates Geschenk ist dagegen ein Exlibris, das er für seine Frau Berta schuf, die aus der Unternehmerfamilie Mader stammte, der die Tiroler Glasmalerei- und Mosaikanstalt gehörte.
Zu den typischen Kennzeichen eines Exlibris (auch Ex libris, lat. „aus den Büchern“) gehört, dass sie meistens mit dem Begriff „Exlibris“ ausgestattet wurden. Auch das Eignerzeichen, das Hans Andre für seine Frau Berta gestaltete, enthält diese Bezeichnung. Andre führte sie jedoch an einer etwas unscheinbaren Stelle seines Exlibris an, nämlich hinter der Darstellung einer Glasvitrine, die u.a. Teller, Vasen und Kaffeetassen enthält. Dabei handelte es sich wohl um ein Möbel, das im Haushalt des Ehepaares wirklich existierte und in dem kunsthandwerklich interessante Stücke aufbewahrt wurden.
Die ersten Exlibris dürften in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden und für geistliche Würdenträger geschaffen worden sein. Auch wenn es heute nicht mehr üblich ist, sich von Künstlern Exlibris entwerfen zu lassen, so ist diese Kunstgattung dennoch nicht ganz ausgestorben. International gibt es zahlreiche Anhänger dieser Kunstform und Exlibris sind gefragte Sammelobjekte. Auch in offiziellen Kunsteinrichtungen werden Exlibris bewahrt und dokumentiert, z.B. im British Museum in London, das mit über 100.000 Exemplaren die größte Exlibris-Sammlung der Welt besitzt. Das muss nicht erstaunen, denn mit dem Thema Exlibris befassten sich nicht nur lokale Künstler, sondern auch so bekannte Größen wie Lukas Cranach (1472-1553), Albrecht Dürer (1471-1528), Hans Baldung Grien (1484/1485-1545) und Hans Holbein d.J. (1497/1498-1543).
Anhand der von Hans Andre geschaffenen Exlibris lässt sich gut darstellen, dass die auf ihnen wiedergegebenen Motive nicht selten Sinnbilder waren, die über einen symbolischen Bezug zum Namen des Exlibris-Besitzers verfügen. Auf dem Exlibris für Dr. Ringler ist ein Löwe zu sehen, der drei ineinander verschlungene Ringe hält. Die meisten Exlibris wurden aber mit dem Wappen des Besitzers versehen, z.B. die Eignerzeichen der Äbte von Stift Wilten und von Stift Stams, Heinrich Schuler und Stephanus Mariacher. Sehr häufig wurde in Verbindung mit den Wappen auch das Motto bzw. Lebensmotto eines Exlibris-Besitzers verewigt, was das besonders schöne Exlibris für Prof. Dr. Gero Merhart von Bernegg mit dem Wahlspruch „Saxa loquuntur“ („Steine sprechen“) vor Augen führt, eines der wenigen Exlibris, das von Hans Andre als Farbholzschnitt ausgeführt wurde.
Fachleute und Sammler kennen übrigens neben den „einfachen“ Exlibris noch so manche Sonderform. Beispielsweise verwenden Bibliotheken für die Kennzeichnung ihrer Bücher so genannte „Ex bibliotheca“, die Besitzer von Musikalien „Ex musicis“ und die Liebhaber erotischer Literatur „Ex eroticis“.