Als „pharmaceuticae artis satis peritus“ (der Pharmaziekunst überaus kundig) wurden die Mitglieder so mancher Tiroler Ordenshäuser bezeichnet. Beispielsweise wird über die Apotheke des Dominkanerinnenklosters in Lienz berichtet, dass sie von einer heilkundigen Mitschwester hierher gebracht und eingerichtet worden sei. Doch schon lange vor dem Aufbau dieser auch so genannten „Infirmerie“ war es hier üblich, sich mit Fragen der Heilkunde intensiv zu befassen. Das beweist der Umstand, dass im Kloster schon seit 1534 Apothekenbücher gesammelt wurden. Darüber hinaus versorgte ein „Apothekergartl“ im Kreuzgang die Schwestern mit den notwendigen Zutaten für die Herstellung von Arzneien.
Es waren vorrangig die großen Pestepidemien des 17. Jahrhunderts, die zum Aufbau von größeren Klosterapotheken und zur Zusammenstellung von Reiseapotheken für reisende Mitschwestern und -brüder in den Tiroler Klöstern führten.
Heute sind nur mehr wenige Klosterapotheken an ihren ursprünglichen Standorten erhalten, obwohl sie in früheren Zeiten wesentlich zur medizinischen Selbstversorgung in den Klöstern beitrugen. Das hohe Maß an Unabhängigkeit sollte den Ordensleuten in allen Belangen des täglichen Lebens eine Atmosphäre der Beschaulichkeit und ein ganz auf Stille und Gebet konzentriertes Leben garantieren. Das Heilen von kranken Mitschwestern und -brüdern stellte aber auch einen wichtigen Dienst an der Klostergemeinschaft dar. In diesem Zusammenhang darf man nicht übersehen, dass in den meisten Ordenshäusern früher keine finanziellen Mittel vorhanden waren, um teure Medizinen zu besorgen. Überdies gab es – je nach Ordensgemeinschaft unterschiedliche – Auffassungen über das Thema Heilung. Zum Beispiel war es den Tiroler Franziskanern noch zu Zeiten der großen Pestwellen des frühen 17. Jahrhunderts verboten, weltliche Apotheker oder Mediziner aufzusuchen. Diese leibfeindliche Haltung ist darauf zurückzuführen, dass franziskanische Ordensleute vor einer Sucht nach Medikamenten und einem unbedingten Wunsch nach körperlicher Genesung bewahrt werden sollten. Der einzelne Franziskaner sollte „den Leib nicht mehr lieben als die Seele“, hatte der Ordensgründer Franz von Assisi einmal formuliert.
In vielen anderen Klöstern wurden jedoch vor dem Hintergrund der großen Pestepidemien Apotheken eingerichtet, weshalb die Medizinschränke und ihre Einrichtung stilistisch in den meisten Fällen dem Barock zuzuordnen sind. Die Apotheken etablierten sich nicht nur als fixe, klösterliche Einrichtungen, sondern es wurde auch für die fachkundige Ausbildung des dazugehörigen „Personals“ gesorgt.
Die heute noch erhaltene Klosterapotheke der Dominkanerinnen in Lienz genießt aufgrund ihrer Vollständigkeit Seltenheitswert. Sie besteht aus einem Wandkasten, dessen Sockelteil mit sieben Schubladenreihen unterschiedlicher Größe ausgestattet ist. Der obere Teil des Medizinschranks setzt sich aus weiteren Schubfächern und Regalreihen zusammen. Zur Apotheke gehört ferner ein Mittelpult mit freiem Fußteil, an dessen Seiten ebenfalls Schubladen eingebaut wurden. In den Regalen befinden sich auch heute noch unterschiedliche Flaschen und Dosen aus Glas und gedrechseltem Holz. Als Funktionsmöbel diente der Kasten auch zur Herstellung von Arzneimitteln, weshalb hier auch Geräte wie Waagen, Mörser, Mahlsteine und Trichter auf praktische Weise verstaut werden konnten. Da zum Inventar des Dominikanerinnenklosters eine große „Mememento mori“-Sammlung gehört, wurde auch die „Infirmerie“ mit zwei Totenköpfen „dekoriert“. Die beiden polierten Schädel liegen auf gekreuzten Knochen auf und besitzen Zähne, die aus Elfenbein gefertigt wurden.