Begibt man sich in Innsbruck auf die Suche nach dem Landespatron von Tirol, dem hl. Josef (Gedenktag: 19. März), erlebt man eine Überraschung: Offizielle Einrichtungen des Landes wie Kapellen und Kirchen wurden nicht dem „Oberhaupt der Heiligen Familie“ geweiht, sondern dem hl. Georg (Gedenktag: 23. April), weil dieser vor 1772 der offizielle Schutzherr über Tirol war.
Dem hl. Georg wurde z.B. die 1725 bis 1728 von Georg Anton Gumpp (1682-1754) gestaltete Landhauskapelle in Innsbruck geweiht. 1706 wurde der Heilige auf der Annasäule in der Maria-Theresien-Straße verewigt. Am Schaft der Gedenksäule sind neben der Georgstatue drei weitere Plastiken mit Abbildungen der Heiligen Kassian und Vigilius (Schutzherren der auch für Tirol zuständigen Diözese Brixen) sowie der hl. Anna angebracht. Die hl. Anna ist hier an die Seite des Landespatrons und der Diözesanpatrone gestellt, weil sich Tirol am Annentag, dem 26. Juli 1703, im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges (1701-1714) erfolgreich von den bayrischen Truppen befreien konnte.
Im Bereich der Innsbrucker Maria-Theresien-Straße lassen sich aber auch Hinweise auf den heutigen Landespatron, den hl. Josef, finden, z.B. im 1614 gestifteten Servitenkonvent St. Josef.
Der hl. Georg stammte aus Kappadokien in der Türkei und soll zu Beginn der Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian (284-305) den Märtyrertod erlitten haben. Er zählt zu den beliebtesten Heiligen des Christentums und zu den Vierzehn Nothelfern. Die Legende von Georg als Drachentöter wurde lange nach seinem Tod mit dem Ziel verfasst, ihn als Macht ausübenden Helden und aktiven Sieger über das Böse auszuweisen. So wurde Georg zum „Schlachtenhelfer“ bei der Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer (15. Juli 1099) bzw. als Soldat Christi (lat. miles Christi) zur Identifikationsfigur der Ritter und Krieger. Er wird daher auch in Ritterrüstung mit Lanze und Schild dargestellt, oftmals den Drachen erlegend.
Der hl. Georg war über Jahrhunderte Landespatron von Tirol und in diesem Zusammenhang ist anzunehmen, dass er bereits vor dem Aufkommen einer Art Landesbewusstsein im 13. Jahrhundert die Funktion einer Schutzmacht über das Land im Gebirge innehatte. Die Bedeutung des Heiligen für Tirol unterstreicht u.a. seine „Verortung“ in Innsbruck, wo sich an der heutigen Kreuzung von Maria-Theresien-Straße und Meranerstraße das Georgentor (= Stadttor) befand und in nächster Nähe zu diesem schon 1574 eine erste Georgskapelle eingeweiht wurde. Das später errichtete (Alte) Landhaus (1725-1728) wurde ursprünglich als Georgen-Hof bezeichnet und den südlichen Teil der Maria-Theresien-Straße vom ehemaligen Georgentor bis zur heutigen Triumphpforte nannte man früher Georgen-Vorstadt.
Unter Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) wurde im Jahr 1772 aber der hl. Josef zum „neuen“ Landespatron ernannt, was auf eine längere Vorgeschichte zurückzuführen ist: Die Josefs-Verehrung gewann allgemein erst ab dem 15. Jahrhundert an Bedeutung. Damals legte Papst Sixtus IV. (1471-1484) mit dem 19. März den Todestag des offenbar bislang „zu wenig beachteten“ Nährvaters Jesu fest. Zu hohem Stellenwert gelangte der hl. Josef während der Türkenbelagerungen im 16. Jahrhundert. In dieser Zeit war Josef zwar nicht ausdrücklich der Schutzherr im Kampf gegen die Türken, dennoch rief man ihn als Beschützer der Heiligen Familie vertrauensvoll um Hilfe an. 1621 wurde der Namenstag des hl. Josef – in Tirol der so genannte „Josefi-Tag“ – vom Papst offiziell in den Rang eines kirchlichen Feiertags erhoben. 1675 erklärten die Habsburger den Heiligen mit päpstlicher Genehmigung zum Patron der österreichischen Erblande. Die österreichischen Monarchen waren große Verehrer des hl. Josef, weshalb sie auch nicht wenige ihrer Nachkommen auf seinen Namen tauften. Mit der wachsenden Volkstümlichkeit des hl. Josef – vor allem auch als Patron der Zimmerleute – ging ein vermehrtes Aufkommen bildlicher Darstellungen in Form von Altarplastiken, Gemälden, Andachtsbildchen usw. einher.
1771 schuf Papst Clemens XIV. (1705-1774) im Zuge der Einschränkung von kirchlichen Feiertagen sowohl den des hl. Georg als auch des hl. Josef ab. Da jedoch in allen habsburgischen Ländern die Feier eines Schutzpatrons angeordnet war, überlegten die damals regierenden Bischöfe von Brixen und Trient, die Diözesanpatrone – die Heiligen Kassian und Virgil – als Landespatrone einzusetzen. Die Tiroler Behörden wandten sich daraufhin an Kaiserin Maria Theresia und brachten den Vorschlag ein, den hl. Josef zum Landespatron zu erheben. Diese Anregung war der Kaiserin in Verbindung mit der traditionellen Verbundenheit des Hauses Habsburg mit dem hl. Josef sehr willkommen. 1772 ernannte sie mit päpstlicher Erlaubnis den Nährvater Jesu zum Landespatron Tirols.
2006 (21. April) wurde auf Initiative des Tiroler Landtagspräsidenten Helmut Mader der Heilige Georg vom Landtag wieder als zweiter offizieller Landespatron Tirols eingeführt. Somit hat das Land Tirol zwei Schutzheilige – Josef und Georg.