Die Fresken in der Pfarrkirche von Tessenberg sind unter anderem auch unter kostümkundlichen und modegeschichtlichen Aspekten interessant zu betrachten. Auf den 1499 entstandenen Wandmalereien wurden unterschiedliche Bekleidungsstile festgehalten, die als beredtes Beispiel für den Wandel in der Mode des Spätmittelalters angesehen werden können.
Die Fresken stammen von Rupert (Ruprecht) Pötsch (1490-1530), der schon um 1490 einen Zyklus mit Szenen aus dem Leben des hl. Johannes des Täufers im Kreuzgang des Brixner Domes (Südtirol, Italien) schuf. Neun Jahre später ist er in Heinfels greifbar, wo er sich noch einmal mit der Gestaltung von Fresken befasste, welche die Viten der beiden Heiligen Johannes d. Täufer und Johannes Evangelist, Propheten und weitere Heilige zeigen. Der Maler scheint aus dem bayerischen Kunstkreis nach Süd- und Osttirol abgewandert zu sein. Die detailreichen Abbildungen vermitteln viel von der Erzählfreude des Künstlers und seinem Hang zur Burleske (Posse). Diese Ausrichtung seiner Malweise rührt wohl daher, dass er in seiner Heimat schon früh mit dem drastischen Realismus des Donaustils in Verbindung gekommen war.
In der Endphase der Spätgotik stand die Malerei in Tirol dem Donaustil (auch Donauschule genannt) mit seinen Zentren Wien, Regensburg und Passau nahe. Typische Züge dieser Strömung waren lebendige Landschaftsdarstellungen, ein in allen Elementen der Natur spürbarer Pantheismus (z.B. Gebirge, Bäume) und die ihres sakralen Charakters „beraubten“ Marterszenen, in denen die Menschen aus der Zeit der beginnenden Glaubensspaltung gerne mit den überzeichnet realistischen Zügen einer landsknechthaften Brutalität wiedergegeben wurden. Die Tessenberger Freskenzyklen entstanden an der Schwelle von der gotischen Malweise zum Donaustil. Auf manchen Bildern sind der Spätgotik verpflichtete Spruchbänder zu sehen, die (ähnlich den heute bekannten Comics) Rede und Gegenrede wiedergeben. Auch der Bildaufbau und die mittelalterliche Kleidung mancher Figuren wirken altertümlich. Das steht im Gegensatz zu einer weiteren Gruppe von Gestalten, deren Reiz in ihrer modisch-eleganten und ganz dem Zeitgeist entsprechenden Mode liegt.
Im 12. und 13. Jahrhundert kamen neue Kleidersitten auf. Sie zeichneten sich dadurch aus, dass die Körpermitte plastisch betont wurde. Wie auf einigen der Tessenberger Wandmalereien dargestellt, trug man bodenlange Leibröcke, die den Oberkörper und die Arme eng umschlossen und sich erst von der eng gegürteten Taille abwärts öffneten. Ein weiteres Merkmal dieser Modeströmung war, dass vor allem für die Frauen überlange Röcke genäht wurden, bei denen der hohe Stoffverbrauch ein Ansatzpunkt für herbe Kritik von Seiten der Kirche war. Um zu gehen, rafften die Damen die Röcke mit der Hand empor – eine noble Geste, die gerne auf bildlichen Darstellungen festgehalten wurde.
Ausgehend von Frankreich wurden allmählich neue Modetendenzen spürbar und es kam zu einer regelrechten „Enthüllung“ des Körpers: Die Röcke der Männer wurden immer kürzer und die Hals- und Armausschnitte der Frauen immer weiter. Dem Zeitgeschmack entsprach auch eine zunehmende Betonung der geschlechtsspezifischen Körperformen. In Tessenberg gibt das Bildfeld „Tanz der Salome“ wieder, dass die modebewusste Dame von damals tiefe Ausschnitte und nicht minder ausgeprägte Rückendekolletés trug.
Auf den Wandgemälden sind auch zwei interessant gekleidete Männerfiguren abgebildet: der Henker aus der Szene „Tanz der Salome“ und ein Zuschauer des Motivs „Johannes der Täufer steigt ins Grab“. Ihre Mode entsprach um 1500 dem letzten Schrei, denn die Kürzung des Oberkleides hatte zur Folge, dass das männliche Gesäß bald kaum mehr verhüllt war und der Leibrock zum Wams (einer Vorform des späteren Sakkos) degenerierte. Im Sinn eines tadellosen Sitzes der zu dieser Zeit noch zweiteiligen Beinlinge (Hosenbeine) erwies es sich als zweckmäßig, diese direkt an der Jacke „anzunesteln“ (anzubinden oder anzunähen). Das hatte weit reichende Auswirkungen: Die bisher unter den langen Röcken getragenen Beinlinge bildeten nun einen Blickpunkt, sie waren dieser „Rolle“ allerdings noch nicht gewachsen, weil sie ja kein „Gesäß“ hatten. Aus diesem Grund banden die Männer die Beinlinge zuerst an die Hemden, bis sie im Verlauf des 15. Jahrhunderts zu „einem Paar Hosen“ zusammengenäht wurden. Die Kontur des dabei deutlich sichtbaren Geschlechtsteils wird ab ca. 1500 durch neue Elemente in der Herrenmode betont: die Schamkapsel (Braguette) und der Hosenlatz.
Ein weiteres typisches Detail dieses neuen Bekleidungsstils war das Sichtbarwerden des Hemdes. Das Unterkleid bzw. Unterhemd entwickelte sich zu einem neuen Accessoire, das unter dem bis zur Taille reichenden, eng anliegenden Wams angezogen wurde. Das Wams konnte durch einen an der Hüfte angebrachten Knopf bzw. vorne durch mehrere Knöpfe geschlossen werden.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass diese Innovationen auf dem Gebiet der Herrenmode die Entwicklung des modernen Anzuges einleiteten und im Bereich der Damenmode zur Herausbildung von Dekolleté und Mieder führten.