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Pension Bergheim in Berwang – Tourismusbau mit funktionellem Gesamtkonzept  (1931/1932)

Mit der Pension Bergheim in Berwang wurde 2006 ein Tourismusbau unter Denkmalschutz gestellt, der in den Jahren 1931/1932 von einem bis heute relativ unbekannt gebliebenen Tiroler Baukünstler geschaffen wurde: Siegfried Mazagg (1902-1932).

Die Pension Bergheim verfügt über eine gemauerte Sockelzone und zwei mit Holz verschalte Obergeschosse. Den oberen Abschluss bildet ein Pultdach. Das Äußere des Baues dominieren Hell-dunkel-Kontraste und hellblaue Akzente an den Fenstern und am Dachfuß. Die Besonderheit dieses Baues liegt jedoch darin, dass Mazagg nicht nur das Gebäude selbst, sondern auch seine gesamte Innenausstattung entwarf: alle Möbel, ein Großteil der Beleuchtungskörper und viele weitere kleine Details stammen von der Hand des begabten Innsbrucker Architekten.

Siegfried Mazagg kam 1932 als Dreißigjähriger bei einem Verkehrsunfall im Innsbrucker Saggen just in dem Moment ums Leben, als er mit seinem Wagen zur Baustelle nach Berwang aufbrechen wollte.

Wie seine älteren Zeitgenossen Lois Welzenbacher, Theodor Prachensky, Clemens Holzmeister und Franz Baumann war auch Siegfried Mazagg ein großes Zeichentalent. Ihm genügten nur ganz wenige, dynamische Striche, um ein Entwurfskonzept umfassend darzustellen. Die meisten seiner Skizzen zeichnete er mit Kohlestiften, manche von ihnen wurden im Anschluss koloriert.

Auch zur Pension Bergheim existieren noch solche Skizzen. Sie dokumentieren, dass es Mazagg am Beginn seines Formfindungsprozesses ein Anliegen war, auf örtliche architektonische Gegebenheiten Bezug zu nehmen. Die dörfliche Siedlungslandschaft wird von Satteldächern dominiert, weshalb auch die ersten Pläne für die Pension Bergheim mit Satteldach ausgestattet wurden. Im Verhältnis zum später umgesetzten Bau waren die ersten Entwürfe für den Beherbergungsbetrieb relativ groß und umfassten bis zu vier Ebenen.

Obwohl sich Mazagg schließlich für ein Gebäude mit Pultdach und somit für ein Projekt entschied, das sich von der gegebenen Siedlungsstruktur deutlich abhebt, war es ihm wichtig, das regionale Bauen in sein modernes Konzept aufzunehmen. Aus diesem Grund orientierte er seinen Plan an den klassischen Bauernhäusern, die ebenfalls aus einem gemauerten Erdgeschoss und einem als massiver Holzbau ausgeführten Obergeschoss bestehen.

Mazagg übernimmt den Weiße-Mauer-mit-dunkel-gebeiztem-Holz-Kontrast, wendet ihn aber für ein Bauprogramm im Sinn der klassischen Moderne an: Die funktionelle Aufteilung der Räume ist schon von außen ablesbar. Das Erdgeschoss mit den Gesellschaftsräumen befindet sich in der weiß verputzten Erdgeschosszone. Diese weist überdies auch längere Fensterbänder auf als die oberen Stockwerke. Im Unterschied dazu wurden die Bettengeschosse zwar auch gemauert, aber außen mit dunkel gebeiztem Holz verschalt. Nur der wie ein Turm an der Gebäudeseite hervorspringende Bauteil wurde bis zum Sockel mit Holz verkleidet.

Neben dieser vertikalen Gliederung weist der Bau auch eine horizontale auf. Die Balkone in den oberen Stockwerken wurden um die Ecke geführt und gehen nahtlos in die turmförmig ausgebildete Seite des Gebäudes über. Die farbige Akzentuierung der Fensterstöcke und der Traufenlinie des Pultdaches dienen einer Auffrischung des Gesamtkonzepts. Denselben hellblauen Farbton verwendete Mazagg bei mehreren seiner Bauten. Übrigens war Siegfried Mazagg generell ein Baukünstler, der sich vor allem bei seinen Innenraumgestaltungen gerne mit dem Thema Farbgebung befasste: neben den von ihm bevorzugten Orange- und Blautönen natürlich auch mit den Eigenfarben von Materialien wie Holz, Metall u.s.w.

Die Architekten der klassischen Moderne setzten vor allem bei Tourismusbau-Projekten Pultdächer als Gestaltungsmittel ein. Das Pultdach signalisiert durch seine einseitig nach hinten abfallende Linie Offenheit. Es ermöglicht bei einem Hotelbau aber auch, dass alle Zimmer zum Sonnenlicht und zur schönsten Aussicht ausgerichtet sind, während die langen Gänge im Mittelteil bzw. auf der schattigen Rückseite des Gebäudes untergebracht werden können. Die Pension Bergheim antwortet mit ihrem Pultdach auf die umgebende Berglandschaft im Süden von Berwang.

Bei der Innenraumgestaltung unternahm Siegfried Mazagg den Versuch, bäuerliche Wohnformen genauso in sein Konzept zu integrieren wie städtische: Im Erdgeschoss folgt eine bodenständig eingerichtete Stube mit Kamin, Brettstühlen und schweren Holztischen auf einen modern möblierten Salon. Auch die Ausstattung der Gästezimmer wurde von Mazagg entworfen. Neben den Kästen, Betten und Türen bestimmen vor allem die vielen von ihm gestalteten Beleuchtungskörper und andere Details, z.B. der Handlauf der Treppe, das Raummilieu.

Tipp:
Andere wichtige Tourismusbauten von Siegfried Mazagg sind das Hotel Berghof in Seefeld (1929/1930) und das ehemalige Hotel Mariabrunn (1931/1932; heute als Wohnhaus genutzt) auf der Hungerburg in Innsbruck.

Weitere Bauten von Mazagg sind das Achensee-Kraftwerk in Jenbach (1925-1927) und ein Anbau an das Hotel Alpenhof in Pertisau am Achensee (1929).