Die Pfarrkirche Neu-Arzl in Innsbruck von Josef Lackner war nach mehreren Aufträgen zu Umbauten der erste sakrale Neubau der Nachkriegs-Ära, den ein Mitglied der damals jungen Architektengeneration in Tirol realisieren konnte. Damit begann eine vitale Auseinandersetzung mit Fragen des zeitgenössischen Sakralbaues, die in vielen Landesteilen zu interessanten Ergebnissen führte.
Der im Jahr 2000 verstorbene Architekt Josef Lackner gehört zu den einheimischen Baukünstlern, die auf dem Gebiet des Sakralbaues seit 1945 in Tirol (ferner in Wien und in Deutschland) die meisten Werke hinterlassen haben. Auf Lackner gehen neben der 1958-1960 realisierten Pfarrkirche St. Pius X. in Neu-Arzl die 1965-1967 entstandene Pfarrkirche St. Emmaus in Völs und die Pfarrkirche St. Norbert im Innsbrucker Stadtteil Pradl zurück, die 1969-1971 errichtet wurde. Weiters löste Josef Lackner – er war auch als anerkannter Architekturprofessor an der Universität Innsbruck tätig – eine Reihe von Bauaufgaben im Randbereich des Sakralbaues im engeren Sinn. Auf diesem Gebiet sind vor allem das Kloster und die Schule der Ursulinen zu nennen, zwei Großprojekte, die er von 1971 bis 1979 am Fürstenweg in Innsbruck verwirklichte.
Die dem 1954 heilig gesprochenen Papst Pius X. (von 1903-1914 Papst) geweihte Pfarrkirche in der Schützenstraße von Neu-Arzl in Innsbruck ist ein Frühwerk Josef Lackners, der Bau enthält aber schon wichtige charakteristische Züge seiner weiteren Projekte. Das betrifft vor allem die Betonung des Räumlichen: Der Bereich für die Kirchengemeinde ist in der Art einer Insel ausgebildet und wird von einem „Graben“ eingefasst, an dessen Seitenwänden die Kreuzwegstationen angebracht sind. Josef Lackner berichtet in einer Schrift aus dem Jahr 1960 über sein architektonisches Konzept: „Die ausschlaggebenden Faktoren für die „moderne“ Erscheinung gehen aber zurück auf ein neues Raumwollen. Der Gottesraum von heute ist nicht materieller Repräsentation gewidmet, er soll Träger wahrer Qualitäten und zum Besinnungs- und Ruheplatz werden. Jeder, der hier vor den Altar tritt, soll auch in einen Raum treten, dem Echtheit innewohnt.“
Die Kirchenbesucher haben die Möglichkeit, den Sakralbau entweder über zwei Seiteneingänge oder das Hauptportal zu betreten. Der Haupteingang liegt am Ende eines vorgelagerten Platzes und einer Art Prozessionsweg. Der Prozessionsweg ist aber nicht nur als solcher von Bedeutung. Er wurde auch vor dem Hintergrund geschaffen, dass sich auf dem Grundstück im Zwickel von Pontlatzer- und Schützenstraße vor der Bebauung ein Wäldchen befand, das einer „Oase“ im Straßenraum glich. An den Seiten des besinnlichen Weges konnten Reste des Wäldchens erhalten werden. Der Haupteingang führt ähnlich einer Brücke – über den Kreuzweg und eine Taufkapelle im Untergeschoss hinweg – direkt zum Altar. Es war dem Architekten ein Anliegen, eine Form des Gegenübertretens bzw. des sich Begegnens zwischen Besucher und Altar zu ermöglichen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Kirche ist die Lichtführung. Das Licht wird teilweise indirekt über den Kreuzweg im Tiefgeschoss, teilweise direkt in den zentralen Raum geführt. Die Zone im Hintergrund des Altares spielt dabei eine besondere Rolle. In diesem Bereich soll eine Lichtatmosphäre erzeugt werden, die sowohl ästhetische als auch religiöse Vorstellungen berücksichtigt. Z.B. wurde das Kruzifix vor einem dreieckigen Fenster platziert, wodurch die Christusfigur nicht nur effektvoll hinterleuchtet, sondern auch das Thema der Dreifaltigkeit aufgegriffen wird.
Josef Lackner legte Wert darauf, dass die von ihm gestaltete Kirche als Zentralbau wahrgenommen wird, also als Gebäude, das über gleich oder annähernd gleich lange Hauptachsen verfügt. Nur ein Zentralbau erlaubt es, dass alle Kirchenbesucher das Geschehen am Altar annähernd gleich gut verfolgen können. Die Aufteilung der Kirchenbänke war so gedacht, dass die Erwachsenen die Plätze unmittelbar vor dem Altar einnehmen, die Kinder und der Kirchenchor die seitlich davon. Zur Zeit der Entstehung dieser Kirche war Architekten wie Josef Lackner die Idee eines „demokratischen“ Miteinanders sehr wichtig. Er gestaltete den Zentralraum vor allem deshalb, um der Forderung nach einer intensiven Teilnahme der Gemeinde am Gottesdienst Ausdruck zu verleihen – ein Gedanke, der hier schon vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1963) architektonische Form annimmt.
Die Pfarrkirche St. Pius X. in Neu-Arzl ist eine reine Beton-Konstruktion, was eine gewisse Kritik an diesem Sakralbau hervorrief. Doch Josef Lackner hielt Beton, der teilweise als Sichtbeton ausgeführt wurde, für das „richtige und typische Bauen im Sinne eines Rationellen und Ungekünstelten“. Als neues Wahrzeichen an der Einfahrtsstraße in das Olympische Dorf ist der in Verbindung mit der Kirche entstandene Glockenturm zu betrachten. Er wurde fünf Meter abseits der Kirche unmittelbar an der Schützenstraße errichtet und ist 30 Meter hoch.