Im Archiv des Tiroler Kunstkatasters befindet sich eine Dokumentation über eine bemalte Schützenscheibe aus einem Bauernhaus in der Umgebung von Kitzbühel. Die volkstümliche Ölmalerei auf der kreisrunden Holztafel nimmt Bezug auf ein Hochzeitsschießen aus dem Jahr 1891. Die Widmung auf einem Spruchband am oberen Rand der Scheibe erläutert den Hintergrund des Anlasses: „Erinnerung an das Hochzeitschießen des Herrn Johann Ehn und der/ Frau Nothburga Ehn geb: Doll; am 8. u. 9. August 1891.“
Das Brautpaar ist im linken unteren Bildteil in Hochzeitstracht dargestellt. Der Bräutigam dreht sich mit einladender Geste zur Braut und weist ihr mit der Hand den Weg zum künftigen gemeinsamen Hof. Das Bauernhaus ist vor der Landschaftskulisse des Kaisergebirges bewusst in die Bildmitte platziert, um auf den Stellenwert bäuerlichen Besitztums hinzuweisen. Erst durch diese materielle Absicherung wurde die Möglichkeit für eine Heirat geschaffen. Diesen sozialen Aspekt reflektiert der gereimte Spruch am unteren Bildrand: „In Bosnien als Jäger,/ Jetzt Bauer in Tirol/ Dö Burgl mei Bäurin,/ Erst jetzt gfalz ma wohl.“
Bemalte Schießscheiben aus Holz sind kulturhistorisch interessante Zeugnisse des Schützenwesens, das gerade in Tirol einen besonderen Stellenwert im gesellschaftlichen Leben hat. Auf den Scheiben ist eine bestimmte Begebenheit in einer Art Momentaufnahme festgehalten. Verschiedene historische, öffentliche und familiäre Ereignisse sind in oft sinnbildlichen Darstellungen humorvoll bis drastisch umgesetzt. Die künstlerische Qualität reicht von volkstümlich naiven Scheibenbildern bis hin zu Auftragsarbeiten bekannter Maler.
Eine beliebte Unterhaltung der Schützenvereine war und ist neben vielen anderen Aktivitäten das Scheibenschießen. Diese wettkampfähnlichen Spiele werden mit genauen Regeln in festgesetztem Rahmen zu verschiedenen Anlässen abgehalten. Darunter war das Hochzeitsschießen ein besonderes Zeremoniell, das mit einem Fest umrahmt wurde und in dessen Mittelpunkt ein junges Ehepaar stand. Vielfach war damit wohl Prestigedenken verbunden, wenn Bauern oder Wirte im Anschluss an eine Hochzeit ein Schießen veranstalteten, um die eigene Wohlhabenheit zu demonstrieren. Zu diesem Anlass wurden auch die dazu gehörigen Scheiben gemalt.
Das Scheibenschießen war bereits vor dem Ausgang des Mittelalters im städtischen Bereich ein beliebtes Wettspiel. In der historischen Betrachtung kann es als Fortsetzung ritterlicher Turniere gelten, die zuerst in die Sphäre der Bürgerlichkeit, später dann auch in den Bereich der bäuerlichen Feste übertragen wurden. Aus dem höfischen Bereich sind gerade im Zusammenhang mit Hochzeiten Ritterspiele mit verschiedenen Turnieren als Feierlichkeiten bekannt, die in den Tagen nach einer Vermählung veranstaltet wurden. Das bäuerliche Hochzeitsschießen fand – im festlichen Rahmen des Schützenvereins – als besondere Vergnügung im Anschluss an die eigentliche Hochzeit statt.
Der Begriff „Scheibenschießen“ ist an sich keine Schießdisziplin, sondern umschreibt einen Sammelbegriff aus unterschiedlichen Veranstaltungen, bei denen mit verschiedensten Schusswaffen auf Schießscheiben geschossen wird. Die Anordnung der Ringe auf einer Schießscheibe wird „Spiegel“ oder „Scheibenspiegel“ genannt und besteht aus zehn ineinander liegenden, nummerierten Ringen. Ein Treffer des innersten Ringes wird am höchsten bewertet (10 Ringe).