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Schwazer Majolika – feines Geschirr zum Kaffee (1882-1995)

Einst war es ein hochwertiges Handelsgut, das von Schwaz aus in alle Teile der Monarchie vertrieben wurde: Majolika der Firma Hussl. Das Unternehmen der Familie Hussl ging aus einer Steinguterzeugung hervor, die auf Anregung eines englischen Technikers gegründet wurde. Der Engländer bereiste 1801 auf der Suche nach Kobalt die Region Schwaz. Kobalt ist ein Schwermetall, das vorwiegend aus kupferhältigen Erzen gewonnen und unter anderem für die Herstellung von blauen Glasuren (Kobaltblau) verwendet wird. Doch anstelle des seltenen chemischen Elements Kobalt entdeckte er oberhalb von Maurach bei Buch ein Tonerdelager, das für die Fabrikation von Steingut genutzt werden konnte.

Die daraufhin ins Leben gerufene, aber nicht recht florierende Steingutfabrik eines Herrn namens Johann Albaneder ging im Jahr 1809 in die Hände des Kramsacher Handelsschmieds Alois Martin Hussl (1772-1836) über. Dieser überwand die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und führte das Unternehmen in der Zeit um 1815 zu seiner ersten Blüte.

Die in Maurach bei Buch gewonnene Tonerde war die Grundlage für die Herstellung des Schwazer Steinguts, das in der Anfangszeit sogar noch mit selbst erzeugten Glasuren aus Erdfarben verziert wurde. Doch der Sohn von Alois Martin Hussl, Josef Anton Hussl (1802-1855), veränderte die Produktion grundlegend: Er importierte Ton aus der Oberpfalz, der sich aufgrund seines Kaolingehalts besser für die Erzeugung von Steingut eignete. Parallel dazu führte er die Schmelzmalerei auf Glasur ein bzw. stellte auf Verzierungen mittels Kupferdrucken um. Das diente dazu, den Tonwaren eine unverwechselbare künstlerische Note zu geben: Nun wurden Landschaften, aber auch Jagd- und Genreszenen auf das Steingut appliziert. Andere Stücke erhielten mit so genannten „türkischen“ oder „chinesischen“ Motiven rein ornamentale Dekorationen, die aufgrund ihrer exotischen Note viele Kunden anzogen. Um 1850 beschäftigte der prosperierende Betrieb ungefähr 500 Arbeiterinnen und Arbeiter, die vor allem Tafel-, Kaffee- und Teeservice, Waschgeschirre, Apothekergefäße, Tinten- und Streusandgefäße, Salbentiegel sowie feuerfeste Ziegel, Zimmeröfen, Sparherde, Kamine und Kaminaufsätze herstellten.

Unter dem letzten Mitglied der Familie gewann der Betrieb abermals an Bedeutung. Otto Hussl (1839-1919) gelang es, nach neuerlichen Verbesserungen in Bezug auf den Entwurf von Mustern und auf dem Gebiet der Herstellung, die gesamte k.k. Monarchie mit seinen Luxuswaren zu beliefern: Er stellte einen Modelleur der aufgelassenen „Wiener Porzellanfabrik“ ein, der die blaue Unterglasurmalerei nach Delfter Vorbild nach Schwaz brachte. Zeitgleich warb er den Maler Sebastian Palme von der böhmischen Glasindustrie in Steinschönau ab, der die ursprünglich aus Spanien und Italien stammende Majolika- oder Fayencemalerei mit Scharffeuerfarben in der Schwazer Steingutfabrikation einführte. Ab diesem Wendepunkt erlebte das nun als „Schwazer Majolika“ bezeichnete Steingut seine größte Blüte. Diese Phase der künstlerischen und wirtschaftlichen Hochkonjunktur sollte erst mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs enden.

Es war Otto Hussls Anliegen, künstlerisch hochwertige Sammlerstücke anzufertigen, für die er unter anderem beim Innsbrucker Architekten und Denkmalpfleger Johann Wunibald Deininger (1849-1931) Entwürfe bestellte. Deiniger, der später auch für die Tiroler Glasmalereianstalt Musterzeichnungen anfertigte, schuf Dekorationen im Stil des Wiener Sezessionismus, die auf prunkvolle Vasen und Teller übertragen wurden. Nach japanischen, indischen, persischen, türkischen Vorlagen gestaltete Ornamente, aber auch an die italienische Renaissance erinnernde Motive mit reichem Golddekor (die bekannte Schwazer Gold-Majolika) genossen überall große Anerkennung. Zum Renommee des Schwazer Unternehmens trug aber vor allem dessen Teilnahme an der Weltausstellung des Jahres 1900 in Paris bei.

Um die Jahrhundertwende umfasste das Musterlager der Firma Hussl ungefähr 1.700 Vorlagen, die vom Jugendstildekor bis zu bäuerlichen Motiven reichten, und rund 27.000 Ornamente. Nach dem Tod von Otto Hussl im Jahr 1919 ging die Fabrik in verschiedene Hände über, verharrte aber in der Erzeugung volkstümlich gestalteter Massenware oder in der Nachahmung bereits vorhandener Muster. Erst nach 1950 wurden wieder neue Dekors entwickelt und abermals der Versuch unternommen, von der Massenproduktion zugunsten kunsthandwerklich gefertigter Dekorationsgegenstände abzugehen. Bis 1995 war die Schwazer Majolika endgültig aus der Mode gekommen und es erfolgte die Schließung des Betriebs.

Otto Hussl hatte in seinem Testament verfügt, dass kunsthandwerklich bzw. künstlerisch wertvolle Musterstücke mit den dazugehörigen Entwürfen der Sammlung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum zufallen sollten. Der durch Ankäufe und weitere Schenkungen angewachsene Sammlungsbestand ermöglicht heute eine gute Dokumentation der einzelnen Produktionsperioden des einst so bedeutenden Schwazer Unternehmens.

Tipp:
Schwazer Majolika wird vom Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, dem Museum Rabalderhaus in Schwaz und dem Museum für angewandte Kunst in Wien gesammelt. In allen genannten Museen befinden sich auch einzelne Stücke in Dauerausstellung.