Die Kunstgeschichte hat für ein interessiertes Publikum so manche trügerische zeitliche Zuordnung parat. Als Beispiel sei ein Gemälde aus einer Osttiroler Sammlung genannt, auf dem eine historisch greifbare Persönlichkeit in einer Bekleidung abgebildet wurde, die nicht mit den Lebensdaten des Dargestellten übereinstimmt: Graf Albert IV. von Görz verstarb 1365, wurde auf dem „Porträt“ eines unbekannten Künstlers aber in der Tracht des 17. Jahrhunderts wiedergegeben.
Die Macht der Grafen von Görz schmälerte sich im Verlauf des 14. Jahrhunderts, Herrschaftsteilungen und das Auftreten einflussreicher Gegner wie der Habsburger trugen dazu bei. Albert IV. fungierte als Landeshauptmann von Friaul, Görz und Istrien und wurde 1339 Pfalzgraf von Kärnten. Er war zwei Mal verheiratet, seine Ehen blieben aber kinderlos. Daher vermachte er seine Besitzungen in Istrien, der Windischen Mark (heute Slowenien) und Mitterburg (Pisino) den Habsburgern. In die Geschichte Osttirols ist er aber als Klostergründer eingegangen. Gemeinsam mit seiner Stiefmutter Euphemia von Mätsch (gest. 1350) und seinem Stiefbruder Meinhard VII. (gest. ca. 1385) gründete er das Kloster der Karmeliter in Lienz, das bis 1785 existierte bzw. 1948 an den Orden der Franziskaner übergeben wurde.
Zwei Mal war es der Fall, dass die Dynastie der Görzer beinahe ausgestorben wäre. Als Albert IV. von Görz 1365 starb und sein Bruder Meinhard VII. noch immer keine erbberechtigten Nachkommen hatte, war anzunehmen, dass das Geschlecht erlöschen würde. Die Habsburger und die in Bayern beheimateten Wittelsbacher warteten schon auf die Hinterlassenschaft, denn Meinhard VII. hatte mit diesen Häusern Erbverträge abgeschlossen. Im vorgerückten Alter heiratete er aber noch einmal und es gingen zwei Söhne aus dieser Ehe hervor. Das gewährleistete einen Fortbestand der Grafschaft und Meinhard VII. wurde 1365 von Kaiser Karl IV. sogar als Reichsfürst anerkannt – daher rührt die Bezeichnung „gefürstete Grafschaft Tirol“.
Albert IV. wurde auf dem genannten Gemälde in einer Art verewigt, die kurios anmutet. Der Aristokrat lebte im 14. Jahrhundert, wurde aber so dargestellt, wie es der Entstehungszeit des Bildes um die Mitte des 17. Jahrhunderts entspricht. In diesem Zusammenhang liegt der Schluss nahe, dass es dem namentlich nicht überlieferten Maler mehr darum ging, einen eleganten Adeligen zu verewigen, als ihn nach aufwendigen historischen Recherchen in der Bekleidung seiner Zeit festzuhalten.
Albert IV. ist auf dem ganzfigurigen Porträt im Kontrapost dargestellt, seine linke Hand stützt er selbstbewusst in der Hüfte ab, mit seiner rechten berührt er einen Tisch. Er ist mit einem langen weißen Mantel mit Quasten bekleidet, darüber trägt er ein rotes Cape. Ein auffallendes Merkmal des Gemäldes sind die detailreich dargestellten Spitzen am umgeschlagenen Kragen und den Ärmeln. Den räumlichen Abschluss des Porträts bildet ein roter Vorhang im Hintergrund rechts.
Angesichts dieses Porträts ist man vor die Frage gestellt, woher man diese Art der Kleidung mit dem weit über die Schultern heruntergezogenen Spitzenkragen schon kennt, und es drängen sich sofort die aus Historienfilmen bekannten Figuren der „drei Musketiere“ und des „Kardinals de Richelieu“ auf. Das ist in Bezug auf das „Porträt“ Alberts IV. auch nahe liegend, denn der umgeschlagene Kragen (franz.: col tombant) ist eine Modeerscheinung, die mit der Thronbesteigung Ludwigs XIII. von Frankreich (geb. 1601, 1610-1643 König) in Verbindung zu bringen ist. Er war übrigens mit Anna von Österreich (1601-1666, vormals Infantin von Spanien) verheiratet.
Zu den wesentlichen Merkmalen der Mode dieser Zeit gehörten: lange gelockte Haare, große, breitkrempige Filzhüte (oft mit langer Feder), Schuhe oder Stiefel (mit Revers = umgeschlagener Schaft) aus weichem Leder, mit Quasten dekoriert, Jacken (ebenfalls mit Revers an den Ärmeln), große, mit Spitzen besetzte Krägen und zum Teil übereinander getragene Mäntel oder Capes (= ärmelloser, weiter Umhang). Zur großen Neuerung im Bereich der Mode zählte aber die hier abgebildete Hose, denn Albert IV. sollte nicht umsonst im Kontrapost mit dem sich vorne öffnenden Cape dargestellt werden: Bei dem schicken roten Beinkleid handelt es sich um eine so genannte „Rhingrave“ bzw. „Rheingrafenhose“. Sie bestand aus einem ballonartig geschnittenen Hosenrock, an den die Hosenbeine (bzw. lange Stutzen) mit Bandschluppen befestigt wurden. Die Rhingrave dominierte die französische Herrenmode zwischen 1655 und 1680 und ist benannt nach Rheingraf von Salm (1651-1685), der niederländischer Gesandter in Paris war und dessen Mode vor allem König Ludwig XIV. enorm beeindruckte. Die Bandschluppen sind ein interessantes Detail dieser Hose. Man verwendet die bunten oder gemusterten Ripsbänder heute kaum mehr, es sei denn zur Befestigung von Orden. Es heißt aber, dass die Männer des ausgehenden 17. Jahrhunderts von diesen zur Befestigung ihrer Hosenbeine gedachten Zierbändern nicht genug bekommen konnten, sodass sie schon fast zu „Krämerläden“ mutierten. Ein elsässischer Autor dieser Zeit schilderte es so: „…so mit mancherley Farben von Nesteln, Bändeln, Zweifelstricken, Schlüpffen… sind sie an Haut und Haaren, an Hosen und Wambs… behenket, beknöpfet und beladen.“