In der Pfarrkirche Mariahilf in Innsbruck haben sich vier Figurenpaare erhalten, die jeweils aus einem Erwachsenen und einer kindlichen Gestalt bzw. einem Putto bestehen. Aufgrund der Attribute und der Inschriften an ihren Konsolen können die Hauptfiguren als Heilige identifiziert werden: Es sind die Heiligen Homobonus von Cremona, Augustinus und Isidor sowie ein Schutzengel. Zugleich kann man diese Skulpturen aber auch den vier Tiroler Landständen (Landesfürst, Adel, Geistlichkeit, Bürger/Bauern) zuordnen, weil diese bei der Stiftung des Gotteshauses eine wesentliche Rolle spielten.
Aus dem Klassizismus stammende Plastiken sind Raritäten, weil die Zeitwende vom 18. zum 19. Jahrhundert von kriegerischen Auseinandersetzungen und Armut geprägt war (Koalitionskriege oder Napoleonische Kriege, 1792-1815) und daher wenige Kunstwerke in Auftrag gegeben wurden. Die vom Zirler Bildhauer Josef Klucker geschaffenen Figuren bestehen aus geschnitztem Holz und verfügen über glatte, weiße Fassungen, die den Eindruck von Marmor erwecken sollen. Damit die Skulpturen nicht eintönig wirken, wurden sie aber im Unterschied zu ihren antiken Vorbildern stellenweise vergoldet. Selbst die den Bauernstand repräsentierende und dementsprechend einfach gekleidete Figur weist vergoldete Partien auf.
Die Tiroler Landstände (Landesfürst, Adel, hohe Geistlichkeit und Bewohner der Landgerichte) waren an der Errichtung der Mariahilfkirche maßgeblich beteiligt: Während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) gelobten die Stände nämlich zwei Mal (1632 und 1647) den Bau eines der Muttergottes geweihten Gotteshauses, sollten die Kämpfe nicht nach Tirol übergreifen. Die Kirche wurde nach Kriegsende auf der dem Zentrum von Innsbruck gegenüber liegenden Innseite errichtet. Die Pläne stammten von Hofbaumeister Christoph Gumpp (1600-1672), der mit diesem Bau einen der schönsten Kirchenräume des Barock in Tirol realisierte.
In der Mariahilfkirche sind die vier Landstände nicht nur als plastische Figuren präsent. Sie wurden auch auf dem Altarblatt direkt unterhalb eines Mariahilf-Bildes verewigt. Zur Zeit der Errichtung der Kirche hatten die Landstände schon eine lange Tradition. Die Anfänge des an der regionalen Politik mitwirkenden Gremiums lassen sich spätestens seit der 1363 erfolgten Übergabe von Tirol an die Herzöge von Österreich durch Margarete „Maultasch“ (1318-1369) nachweisen. Ca. 60 Jahre später wurden die ersten Landtage abgehalten und bis zum Zeitalter des Absolutismus (um 1790) auch häufig einberufen. 1816, nach den Koalitionskriegen (1792-1815), räumte man den Landständen neuerlich Mitspracherechte ein und mit der Verfassung von 1848 wurde der Landtag zur Volksvertretung durch die gewählten Parteien. Jeweils nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg (8.11.1921 bzw. 15.6.1946) wurde der Landtag in der Tiroler Landesordnung als gesetzgebendes Organ verankert.
Da die historischen Landstände also nicht Vertreter verschiedener Berufsgruppen waren, sondern ein aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten zusammengesetztes politisches Organ, wurde bei der Gestaltung der Figurenpaare in der Mariahilfkirche Wert darauf gelegt, die sozialen Unterschiede eindeutig wiederzugeben. Für den Künstler bestand die einfachste Möglichkeit, seinen Skulpturen einen gesellschaftlichen Status zu verleihen, darin, sie unterschiedlich zu kleiden: Da sich die Bekleidung des Fürsten von dem des Adels wenig unterschied, wird der Landesfürst von der Gestalt des Schutzengels repräsentiert, der – als Sinnbild für die Hausmacht (= erblicher territorialer Besitz) der Fürsten über Tirol – seine Hand schützend über das Haupt eines Knaben mit Wanderstab hält. Der hl. Homobonus von Cremona (1120-1197), der u.a. Patron der Schneider und Schuhmacher ist, steht für den Vertreter des Adels. Er trägt ein weites Cape, darunter eine Kniebundhose, eine mit vielen Knöpfen besetzte lange Weste und dem so genannten „Justaucorps“. Dabei handelte es sich um einen knielangen Herrenrock, der je nach Mode mit seitlich mehr (Rokoko) oder weniger (Klassizismus) abstehenden Schößen getragen wurde. Der zu seinen Füßen stehende Knabe hält ein Medaillon, auf dem die Mariahilfkirche abgebildet ist. Die hohe Geistlichkeit wird vom Gelehrten und Kirchenvater Augustinus (ca. 354-430) dargestellt. Er wird von einem Knaben begleitet, der auf ein Buch zeigt. Der Heilige ist mit einer capeartigen Almutia, darunter einem Rochett und einer Albe bekleidet. Da Augustinus auch Bischof war, trägt er als Kopfbedeckung eine Mitra. Die vierte Figur stellt den hl. Isidor von Madrid (1070-1130) mit seinem Attribut der Schaufel dar. Dieser Heilige war ein in Tirol beliebter Patron der Bauern. Er und der ihm zur Seite gestellte Knabe sind einfach gekleidet. Sie tragen jeweils eine Kniebundhose, ein Hemd und einen langen, einem Justaucorps ähnelnden Rock. Die den Bauernstand repräsentierende Plastik wurde mit einem auffallend breiten Gürtel (= Ranzen) ausgestattet. Solche federkielbestickten Ranzen waren um 1800 ein beliebtes Detail der bäuerlichen Tracht, was u.a. die bekannten Porträts des Tiroler Freiheitshelden Andreas Hofer (1767-1810) beweisen.