Die Martinskapelle im Friedhof der Pfarrkirche Elbigenalp verfügt über zwei Geschosse, im unteren befindet sich das Beinhaus und im oberen ein kleiner Sakralraum. An seiner Seitenwand kann eine der wenigen Totentanz-Darstellungen Tirols besichtigt werden. Sie stammt von Johann Anton Falger (1791-1876) und entstand 1840.
In der Kunstgeschichte stellt der Totentanz ein ganz besonderes Genre dar: Seine Wurzeln sind im Frankreich des 14. Jahrhunderts zu finden, wo er unter der Bezeichnung „Danse macabre“ (lat. „Chorea Machabaeorum“) eine literarische Gattung darstellte und szenisch aufgeführt wurde. Ursprünglich handelte es sich dabei um kurze vierzeilige Wechselreden zwischen dem Tod und 24 Personen, die in absteigender sozialer Rangfolge zu Wort kamen.
Bald war der Totentanz auch im deutschsprachigen Raum weit verbreitet, wo er in Bild- und Textform neben der Wand- vor allem in der Buchmalerei seinen Niederschlag fand. Eine „Renaissance“ erlebte das Genre später vor dem Hintergrund des Schwarzen Todes, der Pest.
Nicht zuletzt weil sich aus dem Begriff „macabre“ das deutsche Wort „makaber“ ableitet, nimmt man an, dass sich der Totentanz auf die Bibelstellte 2. Makk. 6,7 des Alten Testaments bezieht, in der sieben makkabäische Brüder vor den Augen ihrer Mutter auf grausame Weise hingerichtet werden. Unmittelbar vor ihrem Martyrium erhalten sie aber noch Gelegenheit, sich mit ihrem Richter (König Antiochus IV.) auf heldenhafte Weise auszutauschen. Die Verehrung der „sieben makkabäischen Brüder“ breitete sich im Abendland aus, wo ihnen sogar Kirchen geweiht wurden, z.B. in Köln. Da es sich bei den sieben Brüdern noch um Kinder handelte, fanden die ersten szenischen Totentanz-Aufführungen im Pariser Kloster der unschuldigen Kindlein („aux Innocents“) statt. Das älteste Zeugnis eines Totentanzes im deutschsprachigen Raum befindet sich an der Universität Heidelberg in der Handschrift CPG 314, die wahrscheinlich im 14. Jahrhundert verfasst wurde und bereits Verse in Latein und Deutsch enthält. Die ersten monumentalen Totentanz-Wandmalereien entstanden im Wengenkloster in Ulm und in den beiden Dominikanerklöstern von Basel.
Der Totentanz des Außerferner Künstlers Johann Anton Falger entstand etwa 500 Jahre später, nachdem sich so bedeutende Künstler wie Hans Holbein d.J. (Augsburg 1497-1543 London) intensiv mit dem Thema befasst hatten. Holbein war es auch, der dem Totentanz eine neue formale Gestalt gab, indem er veranschaulichte, dass der Tod kein Alter und keinen Stand verschont und dass er in das irdische Dasein manchmal ganz plötzlich eintritt. Letztlich war es dann auch Holbein, der den Totentanz nicht mehr als Reigen darstellte, sondern als eine Abfolge von in sich abgeschlossenen Bildsequenzen. Diese erschienen 1530 erstmals in gedruckter Form, ab 1538 aber noch einige Male in großer Auflage und unter verschiedenen Titeln.
Johann Anton Falger, aufgrund seiner vielen wohltätigen Initiativen auch „Vater des Lechtales“ genannt, erhielt seine Ausbildung in Stockach und an der Akademie in München und war ein besonders erfolgreicher Zeichner, Radierer und Lithograf seiner Zeit. Bevor es ihn beruflich für zwei Jahre nach Weimar und später für weitere zehn Jahre wieder nach München verschlug, wurde er 1809 und 1813 gezwungen, für die bayerischen Truppen Wehrdienst zu leisten. Falger hinterließ neben Plänen, Landkarten, Lithografien für Modejournale und Geschichtswerke eben auch Totentanz-Darstellungen in den Gemeinden Elbigenalp, Schattwald und Elmen.
Der Totentanz von Elbigenalp ist mit seinen 18 Bildfeldern der umfangreichste. Am oberen Rand jeden Bildes ist gemäß der bereits erwähnten Rangfolge der entsprechenden Person der Titel der jeweiligen Abbildung angebracht, z.B. „Der Bürger“, „Der Soldat“, „Das Kind“ usw. Es folgt das Bild und darunter der Dialog zwischen der Person und dem Tod. In Bezug auf seine künstlerische Leistung ist festzuhalten, dass es Falger gelang, makaber-drastische Begebenheiten mit besonders einfachen Mitteln darzustellen. Die einzelnen Bilder sind in schlichten Grau- und Erdtönen abgefasst, wobei er kaum auf die Entwicklung von Tiefenwirkung Wert legte. Nur manchmal kann der Betrachter im Hintergrund der Abbildungen Landschaften und Innenräume erkennen. Im Wesentlichen ging es Falger darum, den Zweikampf des Menschen mit dem Tod wirkungsvoll zum Ausdruck zu bringen. Besonders hervorzuheben sind vor allem zwei Bilder: Die Szene mit der Braut, in die er das Thema des Tanzes einfließen und den als Skelett dargestellten Tod mit der Trompete wie zum (Ab-)Marsch blasen lässt. Und die Szene mit dem Künstler, der der abgemagerten Gestalt des Todes an der Leinwand stehend begegnet. Johann Anton Falger lässt offen, ob es sich dabei um ihn selbst handeln könnte. Der Tod reicht dem überraschten Maler, der Pinsel und Palette hält, ein Stundenglas und scheint dabei den Lorbeerkranz des Siegers in seiner anderen Hand für sich selbst behalten zu wollen.