Im Herbst des Jahres 1938 erscheint Stefan Kruckenhausers (1905-1988) Hauptwerk, die „Verborgene Schönheit“, im Salzburger Verlag von Otto Müller. Zu diesem Zeitpunkt erfreut sich Kruckenhauser in Fotokreisen einer wachsenden Bekanntheit als Pionier der Schwarzweiß-Fotografie mit der Kleinbildkamera und kann bereits auf mehrere Publikationen verweisen.
Inhaltlich zeigt dieser in acht Kapitel gegliederte Fotobildband neben bekannten Kunstdenkmälern Österreichs auch die herkömmliche Architektur des ländlichen Raumes. Darüber hinaus bezieht Kruckenhauser auch Innenräume, Bau- und Ausstattungsdetails in seine Darstellung mit ein.
Seine aufwändigen Fahrten quer durch Österreich, anfänglich noch mit Zug und Fahrrad, später mit dem Motorrad, führen ihn auch nach Tirol. Aus der Umgebung von Kitzbühel sind im Nachlass des Fotografen zahlreiche Motive aus der Arbeit für den Bildband erhalten, die vor allem Bauwerke in der gewachsenen Kulturlandschaft festhalten. Sie alle zeigen die typische Bildersprache Stefan Kruckenhausers mit einer bis dahin unbekannten dynamischen und kontrastreichen Fotografie. Die beeindruckenden Ergebnisse erzielt er – kombiniert mit Teleobjektiven – mit der damals noch relativ neuen Leica-Kleinbildkamera, mit der er besondere Perspektiven und dramatische Sichten erreicht.
Im Winter 1935/1936 entwickelte Kruckenhauser die Idee zu einem großen Österreichbuch, das vorerst in drei Bänden die Landschaft, den Menschen und die Bauwerke seiner Heimat zeigen sollte. Die Publikation war in einem österreichischen Verlag vorgesehen, der auch die Vorfinanzierung der aufwändigen Fahrten übernehmen sollte. Ein wichtiges Anliegen für Kruckenhauser war vor allem auch die bestmögliche drucktechnische Umsetzung der Fotografien im Kupfertiefdruck.
Nach einigen Anfangshürden gelingt die erfolgreiche Umsetzung des Buchprojektes gemeinsam mit dem gerade erst 1937 gegründeten Verlag Otto Müller in Salzburg. Kruckenhauser kann seine genaue Vorstellung eines modernen Fotobildbandes verwirklichen: ein vom Fotografen selbst gewähltes, durchgängig behandeltes Thema, eine vom Bildautor bestimmte Auswahl der Bilder mit großflächigen Abbildungen und ein exzellenter Druck der Schwarzweiß-Aufnahmen im Kupfertiefdruck. Darüber hinaus muss im Buch auch Platz für einen erklärenden Begleittext sein, um dem Betrachter und Leser die inhaltlichen und technischen Beweggründe des Fotografen darzustellen.
In diesen begleitenden Kommentaren diskutiert Kruckenhauser die inhaltlichen und technischen Problemlösungen. Er versteht sich als Ratgeber und lässt den Leser an seinen Überlegungen teilhaben. Er führt darin seine fototechnischen und fotoästhetischen Prinzipien über Lichtführung, die Wahl des richtigen Ausschnittes, die Verwendung von Teleobjektiven ebenso aus wie seine spezielle Technik der Filmentwicklung und der Vergrößerung der Negative. Zur Abbildung von Schloss Münichau (Reith bei Kitzbühel) führt er als wesentliche Eckdaten aus: „Hektor 13,5 cm, Isopan FF-Einschicht. Filter 1. Auch hier Filterung trotz des späten Abendlichtes, das an sich keiner Filterung bedurfte. Es ging aber darum, im Hintergrunde die Felsen des Wilden Kaisers noch zart durchgezeichnet zu bekommen. Daher: auch Filterfragen sind nicht mechanisch lösbar; immer kommt es auf den Bildplan an!“
Die „Verborgene Schönheit“ erscheint von 1938 bis 1964 in insgesamt sieben Auflagen mit mehr als 50.000 verkauften Exemplaren. Die Erfolgsgeschichte dieses Bildbandes ist – vor allem in den Ausgaben nach dem Zweiten Weltkrieg – auch in der Kulturpolitik begründet, die auf Beruhigung und Harmonisierung bedacht war und versuchte, eine spezifisch österreichische Identität zu entwickeln.