In Tirols Kirchen befinden sich viele Votivbilder, die als Zeichen des Dankes für eine erfolgreiche Hilfe einer himmlischen Macht gestiftet wurden. Das Votivbild aus dem späten 17. Jahrhundert wurde von einer Familie aus Innsbruck-Hötting gespendet, weil sie von der großen Pestepidemie des Jahres 1625 verschont geblieben war.
Das Votivbild hat einen mehrteiligen Aufbau. Am unteren Bildrand befindet sich ein Textband, das über die näheren Zusammenhänge der Votivgabe Aufschluss gibt. Im Bildfeld darüber wurde die zehnköpfige Stifterfamilie abgebildet. Im oberen Teil der Votivtafel ist die Szene „Mariae Heimsuchung“ dargestellt. Das biblische Geschehen flankieren die beiden Pestheiligen Sebastian (links) und Rochus (rechts). Am oberen Bildrand wurde eine Schar von Putten festgehalten, die auf das segensreiche Geschehen herabschwebt. Ein außergewöhnliches Merkmal dieses Votivbildes ist sein detailreich gestalteter Bildhintergrund. Er besteht aus einer Art Palastarchitektur, die in eine gebirgige Landschaft übergeht.
Die großen Epidemien des 17. Jahrhunderts waren hauptsächlich auf die schlechte Ernährung der Tiroler Bevölkerung infolge des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) zurückzuführen. Lebensmittel waren damals allgemein knapp, verschärft wurde die Situation durch die unterbrochene Einfuhr von Waren aus dem Ausland.
Eine Familie aus dem Höttinger Ried (heutiger Stadtteil Innsbruck-Hötting) rettete sich aus der Pestwelle von 1625, indem sie sich für sieben Wochen „zu Hause einsperrte“ – unter den damaligen Bedingungen übrigens die einzige Möglichkeit, sich vor einer Ansteckung zu schützen:
„Ao. 1693. Hat ein Ehrsambe Nachperschaft ihm Riedt Hätign =/ haben dise Tafl anhero verehrt die weillen Ihre Elteren ao. 1625. als ein grosßer sterbn war und sie 7. Wochen eingespert geweßen/ dem Tag nach Martiny bey SMaria heimbsuchung alda ein heillige/ Mesß lessen zu lassen und darbey zu wanen selbigen gottes deinst/ Versprochen haben Welliches auch mir Noch komende auf ewige =/ Welt Zeiten zu halten verlobet worden zu schuldiger danckh sagung =/ mit demütigen bitten gott wole unß gnedig sein. und mit der =/ gleichen straffen dise gemein nimermehr heim suchen oder zichigen/ geschechen ihm Jahr ao. 1693. dem 12. Nouemer. Renouatum Ao. 1759.“
Aus der Inschrift auf der Votivtafel geht auch hervor, warum die Szene „Mariä Heimsuchung“ dargestellt wurde: Diese bezieht sich auf das Patrozinium der Kapelle, in der das Bild deponiert wurde. Die Stifter gelobten, hier alljährlich am 12. November (dem Tag nach Martini = 12. November oder wie hier geschrieben „Nouemer“) einen Dankgottesdienst abzuhalten. Nicht zuletzt erschließt sich aus den Jahreszahlen am Ende des Textes, dass der versprochene Gottesdienst sogar noch 1759 abgehalten worden sein dürfte.
Tipp:
In Innsbruck-Hötting erinnert noch ein kleiner Pestfriedhof an der Höhenstraße an die Pestepidemie von 1625. Nach Jahren der Vernachlässigung wurde dieser Gottesacker kürzlich umfassend renoviert.