In einem Schwazer Kloster haben sich Kupferstiche erhalten, auf denen die sieben Sakramente dargestellt sind. Im Unterschied zu vielen anderen sakralen Kunstwerken in Tirol spielen hier Taufe, Buße, Eucharistie, Firmung, Ehe, Sakrament der Weihe (z.B. Bischofsweihe) und Krankensalbung aber nicht im ländlichen Milieu, sondern wurden in der gehobenen Gesellschaft angesiedelt.
Weil sich insbesondere der Adel gerne als modisch versiert darstellen ließ, eignet sich der Stich, auf dem die Hochzeitsszene abgebildet ist, besonders gut für die Datierung der Serie. Die abgebildeten Personen tragen elegante Kleider, die den aktuellsten Entwicklungen auf dem Gebiet der Mode in der Epoche zwischen 1715 und 1730 entsprechen. Auf das Ableben des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. (1638-1715) reagierte die tonangebende französische Mode nämlich mit einer regelrechten Flucht aus dem Pomp und den rigiden Vorschriften des Hofzeremoniells. Ein „Augenzeuge“ der neuen Trends war der französische Rokoko-Maler Antoine Watteau (1684-1721), der über seine Bilder zu einem wichtigen Vermittler der aktuellen Modeströmungen avancierte. Nach ihm wurden auch die bald europaweit verbreiteten „Watteau-Falten“ benannt.
Der Gestalter der Schwazer Kupferstichserie ist zwar unbekannt, es liegt aber der Schluss nahe, dass er wichtige Anregungen aus der französischen Kunst der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts empfing oder sogar in Frankreich tätig war. Das Blatt mit der Darstellung des Sakraments der Ehe zeigt den Priester, ein Hochzeitspaar und drei Gäste bzw. Trauzeugen vor einem einfachen Altar. Obwohl es sich bei der wiedergegebenen Szene nicht um eine prunkvolle Hochzeit, sondern lediglich um eine einfache Zeremonie handelt, wird die Bekleidung der Teilnehmer detailreich abgebildet.
Die Damen tragen weiche, fließende Kleider ohne überflüssigen Pomp. Ein wesentliches Merkmal der Mode in der Ära nach 1715 betraf die Haartracht, weil die so genannte „Fontange“ nicht mehr getragen wurde. Dabei handelte es sich um eine Art Haube, die über einem Gestell aus Draht aufgebaut wurde. Das Accessoire soll von einer Mätresse Ludwigs XIV. „erfunden“ worden sein. Nach dem Ableben des „Sonnenkönigs“ kam das Detail aber sehr schnell aus der Mode und wurde – wie am Kopfschmuck der Braut zu sehen ist – durch ein manchmal nur sehr kleines Häubchen, Schleifen oder Spitzenbänder ersetzt. Konnten die Frisuren der Damen im Zeitalter der „Fontange“ nicht hoch genug sein, so wurden die Haare nun leicht gewellt dicht am Kopf getragen. Das Erscheinungsbild der Damen war daher viel natürlicher als in der Ära zuvor. Dazu trug auch bei, dass man über dem Korsett und dem Reifrock ein „Negligé“ anlegte. Damals bezeichnete man mit „Negligé“ nicht wie heute einen Morgenmantel, sondern ein bequemes Kleidungsstück. Es konnte sowohl im Haus als auch auf der Straße getragen werden. Dem Negligé kam nach 1715 deshalb eine große Bedeutung zu, weil die Gesellschaft der ständig am Hof erwünschten Galakleidung überdrüssig war. Das Negligé wurde durchgehend ohne Taillennaht geschnitten und war vorne offen. Der (manchmal tief angesetzte) Rückenteil fiel in großen breiten Falten vom Halsausschnitt bis zum Boden. Die Ursprünge des Negligés gehen auf ein Theaterkostüm zurück, in dem die Heldin eine bequeme Robe als Umstandskleid trug. Nach dem Titel des Schauspiels hieß diese spezielle Form des Negligés „Andrienne“. Es war aber auch unter dem Namen „Contouche“ bekannt, was zur deutschen Bezeichnung „Kontusche“ bzw. „Schlender“ führte. Die beiden Rückenfalten der Contouche gingen nach dem Maler Antoine Watteau als „Watteau-Falten“ in die Geschichte ein, weil der Maler dieses Detail auf seinen Bildern so grazil zur Darstellung gebracht hatte.
Nun noch ein Blick auf die Männermode nach 1715: Der „Anzug“ der Männer setzte sich damals aus drei wesentlichen Elementen zusammen: Der Kniebundhose, einer mit vielen Knöpfen besetzten langen Weste, und dem so genannten „Justaucorps“. Das Justaucorps ist ein knielanger Herrenrock und Vorläufer des späteren Fracks. Es wurde eigentlich in allen Gesellschaftsschichten getragen. Wie auf dem Kupferstich „Sakrament der Ehe“ zu sehen, waren nach 1715 die seitlich abstehenden Schöße das Hauptmerkmal des Justaucorps. Um Weite zu gewinnen und um zu erreichen, dass die Schöße deutlich vom Körper abstanden, wurden sie mit Rosshaareinlagen wattiert.
Justaucorps und Negligé veränderten mit Anbruch des Rokoko um 1730 abermals ihr Aussehen. Die Rosshaareinlagen wurden unmodern, ebenso das untaillierte Obergewand der Damenwelt. Das legt den Schluss nahe, dass die Schwazer Kupferstichserie mit den sieben Sakramenten in der Zeit zwischen 1715 und 1730 entstanden ist.