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Weinstock-Kelch – Goldschmiedekunst aus der Werkstatt Schneider-Rappel in Schwaz (um 1932)

Unter den in Tirol wirkenden Franziskanern gab und gibt es begabte Künstler und die Franziskaner-Klöster verfügen über eine spezifische Tradition von Kunst-Eigenproduktion. Der klösterlichen Welt ist dieser Umstand nicht wirklich fremd, wenn man sich das Prinzip der klösterlichen Selbstversorgung auf die Kunst und die Ordensleute als Künstler ausgedehnt denkt.

Auf den aus dem Raum Trient stammenden und zeitlebens als Seelsorger tätigen P. Fabian Barcata (1868-1954) gehen sowohl literarische Arbeiten als auch Entwurf und Realisierung eines Kriegerfriedhofs sowie einige sehenswerte Plastiken zurück, z.B. die Statue eines jungen und eines alten Franziskanerpaters am Friedhof des Franziskanerklosters von Hall in Tirol. Von Mitbrüdern im Bundesstaat New York wurde P. Fabian eingeladen, eine – heute nicht mehr existierende – Kapelle einzurichten. Von den Altären bis hin zu den Messgeräten und Kerzenhalten wurden alle Entwürfe in Tirol umgesetzt und dann in die USA transportiert. Nicht zuletzt gestaltete P. Fabian auch Goldschmiedearbeiten, die vom Schwazer Traditionsunternehmen Schneider-Rappel umgesetzt wurden. Darunter 1932 ein besonders aufwändig gestalteter Weinstock-Kelch im Stil des Art déco.

P. Fabian Barcata hatte schon ein wechselvolles Leben hinter sich gebracht, bevor er nach Tirol kam. Er wurde 1868 in Valfloriana bei Trient geboren, trat 1885 im Kloster Pupping (bei Eferding, OÖ) in den Franziskanerorden ein und wurde 1891 in Brixen zum Priester geweiht. Zu den wichtigen Stationen im Leben des Paters zählen seine Aufenthalte als Missionar in Kriesesi, Albanien, wohin er für die Jahre 1895-1897 und 1899-1907 entsendet wurde. Die unvorstellbar dürftigen Lebensumstände der Menschen in diesem gebirgigen Land am Balkan schilderte P. Fabian selbst. Darüber hinaus war es ihm gelungen, eine Kamera und Fotomaterial nach Albanien mitzunehmen und damit die dortigen Einwohner, Dörfer, Behausungen und nicht zuletzt die mit primitiven Mitteln errichteten Kirchen bildlich zu dokumentieren. 1907 kehrte P. Fabian in die Tiroler Franziskanerprovinz zurück. Im Ersten Weltkrieg war er Feldkurat beim 1. Tiroler Kaiserjägerregiment und wurde noch während des Krieges damit beauftragt, in Bondo in Judikarien ein Denkmal für die Gefallenen zu errichten (1915-1918). Der Ort liegt in unmittelbarer Nähe zum Adamello- und Presanellagletscher, zwei Schauplätzen des unerbittlichen Hochgebirgskrieges. Die Anlage entstand auf einem mehr als 7.000 Quadratmeter großen Grundstück, in deren Zentrum ein repräsentatives Ehrenmal für die Gefallenen platziert wurde. Der Waldfriedhof besteht noch und kann besichtigt werden.

Die Jahre von 1922 bis 1954 verbrachte P. Fabian in Tirol und entfaltete hier ein reiches künstlerisches Schaffen. Nachdem er sich für die Entwürfe für die Josefskapelle im US-Bundesstaat New York stilistisch am Art déco ausgerichtet hatte, orientierte er sich auch bei der Gestaltung des Weinstock-Kelchs an dieser internationalen Strömung. In Verbindung mit der Entstehungsgeschichte des Kelchs darf nicht unerwähnt bleiben, dass ihn die Schwazer Gold- und Silberschmiedewerkstatt Schneider-Rappel drei Mal produzieren musste: Der erste Kelch entstand im Jahr 1932 (wahrscheinlich auch für die USA), der zweite wurde am 3.7.1951 fertig gestellt, ging aber im Dezember des selben Jahres auf dem Weg zu einer Ausstellung in New York mit dem Schiff „Flying Enterprise“ unter, der dritte Kelch wurde 1953 gefertigt und befindet sich in einem heimischen Franziskanerkloster.

Auf dem ca. 26 cm hohen Kelch verband P. Fabian die Motive Weltkugel und Weinstock. Für die Herstellung wurden 548 Gramm Silber und zahlreiche Granatsteine verarbeitet, Weltkugel und Weinstock sind aus transparentem und opakem (undurchsichtigem) Email gearbeitet. Der Fuß des Kelches trägt die Inschrift: „In nomine jesu omne genu flectatur caelestium, terrestrium et infernorum. De profundis clamavi ad te domine, domine exaudi vocem meam“. (Philipperbrief 2,10: Vor dem Namen Jesu sollen alle Mächte im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen. Psalm 130: Aus der Tiefe rufe ich zu dir, o Herr. Herr, höre meine Stimme!)
Zum Kelch existiert ein Koffer, der weniger zur Aufbewahrung im Kloster dient als zu seinem Schutz auf den zahlreichen Ausstellungsreisen, die dieses liturgische Gerät bis heute „unternahm“.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass P. Fabian in Verbindung mit dem Kelch auch noch eine Monstranz und ein Ziborium herstellen wollte. Die Entwürfe dazu sind noch vorhanden, aber ihre Umsetzung konnte bis heute nicht nachgewiesen werden.

Aufgrund der Wiederaufnahme des Leitmotivs der Weltkugel am Fuß der Monstranz ist sie auf jeden Fall als mit dem Weinstock-Kelch zusammengehörig zu sehen. Hier geht allerdings die Weltkugel über die Knospe eines Weinstocks sinnbildlich in den „Himmel“ über. Die Lunula wird von einem Engelskranz umgeben, an dessen Oberseite ein gekreuzigter Christus und an der Unterseite eine Muttergottes angebracht wurde, die auf einer von Wolken getragenen Mondsichel steht. Im Unterschied dazu ist das Ziborium aus einem Bündel Kornähren zusammengesetzt, die ein kugelförmiges Gefäß umfangen. Wie beim Weinstock-Kelch und der nicht ausgeführten Monstranz soll auch bei diesem Entwurf ein florales (= aus Blumen bestehendes) Element symbolisch Himmel und Erde miteinander verbinden.