Joseph Schöpf (Telfs 1745-1822 Innsbruck) gehörte zu den anerkannten Malern des Spätbarock in Tirol und hinterließ eine Vielzahl von eindrucksvollen Werken, z.B. die Fresken der Johanneskirche in Innsbruck (1794). In seinem Testament vermachte er seinen gesamten künstlerischen Nachlass dem Stift Stams, dem er seit seinen Jugendtagen verbunden war. Auf diesem Weg gelangte die Kunstsammlung des Klosters in den Besitz einer umfangreichen Sammlung an Skizzen, Zeichnungen, Skulpturen und Studienobjekten aus dem Atelier des Künstlers. Diese Relikte eines Künstlerlebens geben Auskunft über das Wirken eines Malers abseits der Spuren, die er in der Öffentlichkeit, z.B. als Freskant in Kirchen, hinterlassen hat.
Bei der Besichtigung eines Museums oder einer Kirche ist den wenigsten Kunstinteressierten bewusst, dass sie nur einen kleinen Ausschnitt der Tätigkeit eines Künstlers betrachten. Denn selten werden neben fertigen Werken auch diejenigen gezeigt, die vor der Herstellung der endgültigen Fassung einer Arbeit entstanden. Im Zuge einer Ausstellung oder einer Publikation ist es mitunter möglich, Einblick in die künstlerischen Produktionsprozesse zu geben und Skizzenmaterial, Vorzeichnungen oder allgemeine Studien vorzustellen. Besonders rar sind in diesem Zusammenhang Informationen, die über ältere Kunst zur Verfügung stehen. Z.B. können Rückschlüsse in Bezug auf romanische Fresken allenfalls aus der zeitgleich entstandenen Buchmalerei gezogen werden, da keine Studien mehr vorliegen.
Mit der Erfindung der Drucktechniken bzw. des Buchdruckes wurde es möglich, eine neue Art von Studienmaterial in die bildende Kunst einzuführen. Bekannte Künstler gaben ihr Wissen oder bestimmte Motive zur Nachahmung an ihre Kollegen in gedruckter Form weiter. Mit dieser neuen Art von „Künstlerbedarf“ entwickelte sich ein reger internationaler Austausch und Handel, der auch dazu beitrug, dass bestimmte Motive europaweite Verbreitung fanden.
Über Joseph Schöpf ist beispielsweise bekannt, dass er schon als Kind eine bemerkenswerte Kunstbibliothek besaß: Mit sieben Jahren studierte er die in französischer Sprache erschienene Zeichenlehre „Principes de dessin“ und bereits mit zehn die zu seiner Zeit berühmte Architekturlehre von Andrea Pozzo (Trient 1642-1709 Wien) mit ihren für alle Maler des Spätbarock vorbildlichen Grundlagen der illusionistischen Raumbehandlung. Diese Lektüre dürfte wohl wesentlich dazu beigetragen haben, Schöpfs großes Talent als Zeichner und späterer Maler zu formen. Nach ersten Lehr- und Wanderjahren, die er über Vermittlung seiner Erzieher in Stift Stams erwerben konnte, war sein erstes eigenständiges Werk ein Fresko in der Krankenhauskapelle des Konvents. 1768-1775 arbeitete Schöpf beim bekannten Maler Martin Knoller, übersiedelte dann aber – mit einem kaiserlichen Stipendium ausgestattet – für acht Jahre nach Rom. Dort kam er mit frühen Vertretern des Klassizismus in Berührung, in stilistischer Hinsicht blieb er aber dem Spätbarock bzw. dem Rokoko verpflichtet. Joseph Schöpf gilt als einer der letzten großen Freskanten Tirols. Zu seinen Hauptwerken zählen die Wandmalereien in den Kirchen St. Johann im Ahrntal (1786), Kaltern (1792), der Johanneskirche in Innsbruck (1794), Brixen im Thale (1795) sowie die der Heiligblutkapelle in Stift Stams (1800-1801).
Er vermachte seinen künstlerischen Nachlass dem Oberinntaler Stift aufgrund der frühen künstlerischen Förderung, die er dort empfangen hatte. Seine Hinterlassenschaft umfasst 206 Ölgemälde bzw. Ölskizzen, 2778 Zeichnungen, sieben Skizzenbücher, 600 Kupferstiche, kunstwissenschaftliche Bücher, Skulpturen und Studienobjekte. Die dreidimensionalen Gegenstände stellen besondere Raritäten dar, weil sie als Relikte aus einem Atelier kaum je erhalten blieben. Z.B. diente eine kleine Hand, die an einer Schlaufe zum Aufhängen befestigt war, oder die Gipsfigur eines Herkules dazu, sie aus verschiedenen Blickrichtungen abzuzeichnen. Für die Ausführung seiner großen Aufträge griff Schöpf dann auf das grafische Anschauungsmaterial oder seine anatomischen Studien zurück. Viele der Zeichnungen im Nachlass Schöpfs machen nachvollziehbar, wie intensiv er sich mit dem menschlichen Körper auseinandergesetzt hat. Nicht zuletzt verfolgte er dabei das Anliegen, zusammen mit einer anatomisch getreuen Wiedergabe von Körperteilen auch die richtige Haltung oder Geste zu ermitteln, um den dargestellten biblischen Figuren oder Sagengestalten das richtige Erscheinungsbild hinsichtlich Körperhaltung und Gesichtsausdruck zu verleihen.
In Verbindung mit der Analyse von Bewegungen und Bewegungsabläufen galt sein Interesse auch immer Gewandstudien – ein Fachgebiet, in dem er zu größter Meisterschaft gelangte. Neben dem Architektonisch-Räumlichen und dem Anatomischen ist wohl das Textile das Gebiet, auf dem die Barockmaler großes Können aufwiesen.